Die Entscheidungsdatenbank befindet sich zur Zeit noch im Aufbau. Nach und nach werden wir hier weitere Entscheidugen einstellen und entsprechend in Bezug auf die Doppelresidenz kommentieren.
Die Eltern trennten sich im November 2018 und führten seitdem zahlreiche gerichtliche Verfahren, darunter auch ein beendetes Gewaltschutzverfahren. Im Dezember 2018 und Februar 2019 wurden zum Umgangs Zwischenvereinbarungen geschlossen, deren Inhalt nicht näher benannt wurde.
Im vorliegenden Verfahren forderte die Mutter, den Umgang lediglich auf die Zeit von Freitag bis Montag zu begrenzen.
Der Vater beantragte eine paritätische Doppelresidenz. Seine neue Wohnung liege nahe an Schule und der Wohnung der Mutter, er könne die Betreuung gewährleisten und auch Abstimmungen und Entscheidungsfindungen zwischen den Eltern seinen möglich.
Dies bestreitet die Mutter, zumal sie angibt, in der Vergangenheit nahezu die gesamte Betreuung der Kinder allein gemanagt zu haben.
Das Gericht holte ein Sachverständigengutachten ein und bestellte den beiden Töchtern einen Verfahrensbeistand. Im Ergebnis wurde die paritätische Doppelresidenz im Wochen-Wechsel angeordnet.
Aus dem Gutachten hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass die Doppelresidenz nicht kindeswohldienlich wäre. Es wurde ausgeführt, es könne „nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Kindeswohl dienlicher wäre, wenn sie überwiegend nur von einem Elternteil betreut würden und zum anderen Elternteil nur im Rahmen von Umgängen Kontakt hätten“.
Beide Elternteile seien gleichermaßen erziehungskompetent, die Kinder gut entwickelt und in der Lage, sich mit den Entwicklungsaufgaben auseinander zu setzen. Die Erziehungskompetenzen der Eltern seien teilweise unterschiedlich gelagert, würden sich jedoch gut ergänzen, was eine Bereicherung für die Kinder darstellen würde. Beide Kinder hätten eine ausgesprochen positive und ausgewogene Beziehung zu beiden Eltern.
All dies spreche für die Doppelresidenz, der auch die Kontinuität, welche bisher überwiegend bei der Mutter lag, nicht entgegenstehe, da die Kinder ebenfalls einen umfangreichen Umgang mit ihrem Vater gehabt hätten.
Die Erziehungsfähigkeit der Mutter sei nach den Feststellungen der Sachverständigen lediglich in Bezug auf die Bindungstoleranz der Mutter eingeschränkt, welche den Vater als weniger erziehungsgeeignet als sich selbst ansehe, ohne hierfür konkrete Gründe und Argumente nennen zu können. Dies spreche dafür, dass die Mutter auch zukünftig die Beziehung der Kinder zum Vater nicht aktiv fördern werde. Dies spreche „eher für die Anordnung eines Wechselmodells, da die Kinder durch die paritätische Aufteilung der Betreuungszeit der Eltern die Gelegenheit erhalten, die bestehenden Bindungen zu den jeweiligen Elternteilen gleichermaßen zu vertiefen“. Nach den Feststellungen des Gutachtens wäre es dem Kindeswohl dienlich, wenn der Vater weiterhin sehr aktiv und im Alltag präsent mitverantwortlich bleibe.
Im Vergleich mit den Anforderungen der unterschiedlichen Betreuungsmodelle sei zwar auch die Doppelresidenz anspruchsvoll, doch auch im Residenzmodell werde häufig um die Umgangskontakte gestritten. „Unter diesem Aspekt ist ein Wechselmodell grundsätzlich wesentlich einfach zu handhaben und birgt weniger Streitpotential, denn der Wechsel des Lebensmittelpunktes der Kinder findet in einem festen Wochenrhythmus statt“.
Zwar sei die Kommunikation zwischen den Eltern nicht einfach, dies spreche aber nicht gegen die Doppelresidenz, zumal die Eltern unstreitig umfangreich in der Lage sind, per Email miteinander zu kommunizieren und Absprachen zu treffen. Ein Veto-Recht eines Elternteils gegen die Doppelresidenz gebe es nicht.
Zu beachten sei ebenfalls, dass die noch bestehende Bereitschaft des Vaters, sich gegenüber der Mutter kooperativ zu zeigen, bei der Anordnung eines Residenzmodells zugunsten der Mutter reduzieren würde, was ebenfalls für eine Anordnung der Doppelresidenz spreche. Die Anordnung der Doppelresidenz würde nach den zugrundeliegenden Erkenntnissen nicht zu einer Verschärfung des Konfliktes führen.
Eine konkrete Regelung der Ferienzeiten wurde nicht vorgenommen, da die Eltern als ausreichend kompetent erachtet wurden, diese selbständig und eigenständig zu regeln.
Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung sehr gut herausgestellt, wie der Vergleich zwischen den Betreuungsmodellen zu einem Ergebnis führt. Dabei hat es die Doppelresidenz nicht an einem (unrealistischen) Idealmaßstab gemessen, sondern in direkte Beziehung zum Residenzmodell gesetzt.
Zutreffend hat das Gericht die Entscheidung zur Doppelresidenz im Umgangsrecht getroffen und dabei festgehalten, dass das Gesetz keine Einschränkung enthalte, bis zu welchem Umfang die Betreuungszeit zu regeln sei. Letztlich geht es nur um die Verteilung von Betreuungszeit, welche keinen Entzug von Teilen der elterliche Sorge erforderlich macht, wie auch der BGB bereits festgestellt hat. Jede Umgangsregelung bedeutet einen Eingriff in die elterliche Sorge, ohne dass diese dafür in Teilen entzogen werden muss.
Kritisch ist anzumerken, dass sich das Gericht nicht mit den möglichen Folgen der eingeschränkten Bindungstoleranz der Mutter für die Kinder auseinandergesetzt hat. Diese wird die Kinder auch weiterhin belasten. Vor diesen Hintergrund wäre es notwendig gewesen, im Beschluss zumindest eine Abwägung vorzunehmen, ob ein Obhutswechsel zum Vater zur Entlastung der Kinder infrage gekommen wäre oder weshalb davon abgesehen wird.
Ungeklärt bleibt in dem Beschluss auch, inwiefern die Eltern sich jeweils um Kooperation und Kommunikation bemühen. Die Mutter wird mehrfach zitiert, dass dies zwischen den Eltern nicht möglich wäre, ohne dass dabei die Frage gestellt wurde, welche Aktivitäten sie selbst zur Verbesserung unternimmt. So bleibt, auch in Zusammenhang mit dem eingestellten Gewaltschutzverfahren, das ungute Gefühl, dass hier „Streit als Strategie“ angewendet wurde, um die Doppelresidenz zu verhindern und den Einfluss auf die Kinder zu erlangen, was einen Missbrauch der elterlichen Sorge bedeuten würde. Hier wäre es wünschenswert, wenn Gerichte klar benennen, welcher Elternteil wie reagiert und sich um Konsens und Deeskalation zum Wohle der Kinder bemüht.
Dies müsste, gerade in nicht allzu schlimm ausgeprägten Fällen, nicht immer unmittelbare Konsequenzen nach sich ziehen, wäre aber ein klarer Hinweis an die jeweiligen Elternteile, dass eine Verhaltensänderung zum Wohle ihrer Kinder erwartet wird und eine Fortsetzung einer Eskalations-Strategie zu für sie negativen Konsequenzen führen könnte. Dies könnte im vorliegenden Fall beispielsweise wir folgt lauten.
„Es kann von der Mutter erwartet werden, dass sie ihre Elternverantwortung zukünftig ebenfalls konstruktiv und unter Zurückstellung eigener Bedürfnisse zum Wohle ihrer Kinder ausübt und von weiteren unberechtigten Vorwürfen gegen den Vater absieht. Insofern sei sie ausdrücklich auch an ihre Loyalitätspflicht gegenüber dem Vater als anderen Elternteil erinnert, welche beiden Eltern obliegt. Sollte ihr dies auch zukünftig nicht möglich sein und sie durch ihr Verhalten das Verhältnis der Kinder zu ihrem Vater weiterhin belasten, müsste zur Entlastung zukünftig auch über einen Aufenthaltswechsel in den Haushalt des Vaters nachgedacht werden“.
Dies würde auch an die jüngste Rechtsprechung des BGH anknüpfen, dass die Doppelresidenz nicht angeordnet werden soll, wenn ein Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteil fehlen lässt.
Beide Eltern hätten hier eine klare Orientierung, welche Erwartungen an sie gestellt werden und könnten ihr Verhalten, sofern sie dazu in der Lage sind, daraufhin anpassen oder sich bei Bedarf fachkundige Hilfe zur Unterstützung suchen, um sich wieder auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen zu können. Auch würde eine solche Orientierung einen Anhaltspunkt für ein Verfahren in der zweiten Instanz liefern und einer fortgesetzten Eskalation des Streites rechtzeitig Einhalt gebieten.
Hierzu sei erneut auf die besondere Verantwortung der Familiengerichte hingewiesen, die Eltern nicht nur mit Schließen der Akte aus dem Gerichtssaal zu entlassen, sondern ihnen auch den Weg in die gemeinsame Zukunft als Eltern zu weisen.
Der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden hat hierzu bereits eine gute Grundlage gelegt und den Sachverhalt anhand von Fakten und den Bedürfnissen der Kinder aufgeklärt. Die Doppelresidenz hat sich dann nahezu automatisch ergeben, da beide Kinder beide Eltern lieben und beide Eltern in angemessener Entfernung zueinander wohnen und grundsätzlich über ausreichende Erziehungskompetenz verfügen. Mehr braucht es nicht für eine gelingende Doppelresidenz. Belastungen der Kinder resultieren vorwiegend aus defizitärem Elternverhalten, welches daher klar benannt werden sollte.
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