Die Entscheidungsdatenbank befindet sich zur Zeit noch im Aufbau. Nach und nach werden wir hier weitere Entscheidugen einstellen und entsprechend in Bezug auf die Doppelresidenz kommentieren.
Verfahrensgang
Die Mutter und der Vater der hier betroffenen Kinder haben sich im Jahr 2018 in einem Termin, der in den gleichzeitig geführten Verfahren zu Sorgerecht (…/18 …) und Umgangsrecht (…/19 …) unter Verfahrensverbindung zur gemeinsamen Verhandlung stattfand, über die Betreuung ihrer beiden damals ein- und fünfjährigen Söhne geeinigt und ein paritätisches Wechselmodell eingerichtet. Die Kinder sind danach Montag und Dienstag beim Vater, wechseln mittwochs zu Mutter, bleiben dort Donnerstag und Freitag und verbringen dann die Wochenenden abwechselnd bei ihren Eltern.
Die Mutter hat am 22. Juli 2019 auf Abänderung dieser von ihr so benannten „Umgangsregelung“ angetragen. In jenem Verfahren (1/19 …) haben die Eltern keine Einigkeit zu der Betreuung der Kinder herbeiführen können, aktuell wird insoweit ein Gutachten dazu eingeholt, ob die Fortführung dieses oder eines anderen Wechselmodells mit dem Kindeswohl vereinbar ist bzw. diesem förderlich ist. Jugendamt und Verfahrensbeistand hatten vor allem im Hinblick auf das geringe Alter der Kinder (vor allem des jüngeren, nun zweijährigen X) und die in der Forschung zu Entwicklungspsychologie vorherrschenden Meinung den Standpunkt vertreten, dass ein Wechselmodell vorliegend aller Wahrscheinlichkeit nach mit zu vielen Problemen für die Kinder verbunden sei.
Das Amtsgericht hat in Anbetracht der fehlenden Einigung der Eltern gem. § 156 Abs. 3 S. 1 FamFG außerdem das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren als Umgangsverfahren von Amts wegen eingeleitet. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht am 18. Oktober 2019 mit einstweiliger Anordnung das vereinbarte Modell mit häufigen Wechseln abgeändert und eine Umgangsregelung dahin angeordnet, dass die Kinder sich in den geraden Kalenderwochen bei der Mutter und in den ungeraden Kalenderwochen beim Vater aufhalten. Damit folgte das Amtsgericht weder dem Vorschlag des Vaters noch einem Vorschlag der Mutter.
Die Mutter legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beruft sich darauf, dass das Amtsgericht rechtdogmatisch keine Umgangs-, sondern eine Sorgerechtsregelung getroffen habe, welche gem. § 57 Nr. 1 FamFG der Anfechtung unterliege. Aus ihrer Sicht entspreche die Regelung nicht dem Kindeswohl, gerade das zweijährige Kind sei mit derart häufigen Wechseln überfordert. Auch für das andere Kind sei die Regelung schlecht, da der Konflikt zwischen den Eltern eine Kommunikationsstörung verursache, bei der die Doppelresidenz nicht kindeswohlverträglich gelebt werden könne.
Die Eltern haben den in der einstweiligen Anordnung vorgegebenen Wochenrhythmus nicht eingehalten und eigenständig in ein 2:2:5:5-Schema abgewandelt.
In der Anhörung der vom Senat beauftragten Einzelrichterin „hat sich gezeigt, dass die Mutter ihren jüngeren Sohn als hochgradig irritiert erlebt. Sie beschreibt, dass er ihr in den ersten beiden Tagen nach einem Wechsel in ihren Haushalt nicht von der Seite weiche. Die Nächte seien „eine Katastrophe“. Sie müsse am Bett sitzen, bis der Junge eingeschlafen sei, das Kind wache nachts auf und weine dann derart beharrlich, dass sie ihn mit in ihr Bett nehmen müsse. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt bewerten diese Reaktion des nun 2jährigen X als Verlustangst die Mutter betreffend. Der Vater glaubt nicht, dass die Nächte im Haushalt der Mutter derart gestört verlaufen und behauptet, X schlafe bei ihm völlig normal ein. Wenn er - was selten vorkomme - nachts aufwache, lasse er sich beruhigen und schlafe wieder ein. Die Mutter behauptet auch, dass sich bei dem Kind Y Auffälligkeiten zeigten. Auch er bestehe auffallend darauf, Freizeitaktiviäten im Haushalt der Mutter zu verbringen, lade seine Freunde zu ihr ein und vermeide Aufenthalte bei Freunden. Auch das bezweifelt der Vater und behauptet, in seinem Haushalt komme es sowohl vor, dass Y sich auswärts verabrede oder Freunde mitbringe.
Der vom Senat vorgeschlagenen Vereinbarung, nach der die Übernachtungszeiten der Kinder zu einem höheren Anteil in den Haushalt der Mutter gefallen wären, haben die Mutter, das Jugendamt und der Verfahrensbeistand zugestimmt. Der Vater hält eine derartige Lösung für nicht mit dem Wohl der Kinder vereinbar; vor allem der ältere Y würde seiner Ansicht nach darunter leiden, wenn er seltener bei seinem Vater wäre.
Das OLG Frankfurt hob auf die Beschwerde der Mutter hin die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts auf.
Die Zulässigkeit der Beschwerde ergebe sich daraus, dass der Senat entgegen der äußeren Form der getroffenen Entscheidung davon ausgeht, dass hier eine sorgerechtliche Regelung vorliege. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschluss des Amtsgerichts als Umgangsbeschluss gefasst ist und damit gem. § 57 FamFG von der Anfechtbarkeit ausgenommen wäre, weil einstweilige Anordnungen in das Umgangsrecht betreffenden Kindschaftssachen nicht anfechtbar sind.
Das Amtsgericht folgt in seiner Entscheidung - wie auch bei Eröffnung des Eilverfahrens von Amts wegen - der Auffassung des Bundesgerichtshofes, wonach ein Wechselmodell über eine Umgangsregelung angeordnet werden kann. Das entspricht letztlich auch der äußeren Form des durch die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren formulierten Abänderungsverlangens, das eine „Umgangsregelung“ abgeändert sehen will. Bereits an dieser Stelle wäre angezeigt gewesen, eine Einordnung des abzuändernden Vergleichs vorzunehmen, denn mit diesem Vergleich aus dem Jahr 2018 haben die Beteiligten ein Sorgerechtsverfahren und ein Umgangsverfahren abgeschlossen, mithin eben nicht sicher eine Umgangsvereinbarung gewollt.
Die Beteiligten wären damit auch der Einschätzung des Bundesgerichtshofs gefolgt, der die Anordnung der Doppelresidenz als Umgangsregelung im Rahmen des §1684 BGB sah. Auch wenn der BGH eine Anordnung im Sorgerecht offengelassen habe, werte die Praxis die eindeutige Positionierung im Hinblick auf die Zulässigkeit der umgangsrechtlichen Anordnung so, dass dieser rechtlichen Lösung der Vorzug eingeräumt wird.
Dieser auch in Folgeentscheidungen des BGH bestätigten Meinung folgt der Senat des OLG Frankfurt jedoch aus dogmatischen Gründen nicht. Die - streitige - Anordnung des paritätischen Wechselmodells kann nach Auffassung des Senats nur in Form einer sorgerechtlichen Regelung im Rahmen des § 1671 BGB erfolgen, indem entweder das Kind zu den jeweiligen Betreuungszeiten in die Obhut des jeweiligen Elternteils gegeben wird oder aber dem Elternteil, der das Wechselmodell wünscht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit dem Ziel der Durchsetzung geteilter Betreuung überantwortet wird. Eine umgangsrechtliche Anordnung scheidet beim paritätischen Wechselmodell aus rechtlichen Gründen aus.
Ob ein - paritätisches - Wechselmodell auch über die den Umgang betreffenden Normen im Bürgerlichen Gesetzbuch angeordnet werden kann, war bis zu der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes streitig. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass sich aus dem Gesetz nichts dagegen ergibt, dass Umgangszeiten nicht bis zur Hälfte der zur Verfügung stehenden Betreuungszeiten angeordnet werden können (a.a.O., Rn. 15). Zwar stellten einige gesetzliche Regelungen darauf ab, dass der Umgang einen geringeren zeitlichen Anteil ausmache, dies gehe aber nur darauf zurück, dass der Gesetzgeber wegen der Häufigkeit des Residenzmodells diese Art der Betreuung sprachlich als Regelfall zugrunde lege (a.a.O. Rn. 19). Ob eine dergestalt getroffene Umgangsregelung in Widerspruch mit einer Sorgerechtsregelung treten könne - insbesondere, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur einem Elternteil zustehe - müsse jeweils im Einzelfall entschieden werden, daraus seien aber keine Argumente gegen eine umgangsrechtliche Anordnung zu ziehen (a.a.O., Rn. 21). Auch der Umstand, dass die Einordnung als umgangsrechtliche Lösung die Unanfechtbarkeit einer einstweiligen Anordnung zur Folge habe, spreche nicht gegen eine Verortung im Umgangsrecht. Denn es gehe letztlich lediglich um die Ausgestaltung der Ausübung der elterlichen Sorge, mithin um einen im Vergleich zum Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge geringe ren Eingriff. Es bestehe angesichts dessen auch kein Anlass, eine umgangsrechtliche Regelung in eine sorgerechtliche Regelung umzudeuten (a.a.O., Rn. 22).
Diese Entscheidung wird in der Literatur als dogmatisch wenig überzeugend angesehen, weil eine Umgangsregelung nach Auffassung der meisten Autoren in ihren Auswirkungen regelmäßig weit hinter den Auswirkungen der Bestimmung des Aufenthalts im Ausmaß eines hälftigen Anteils der Lebenszeit des Kindes zurückbleibt (Hennemann: Das Wechselmodell als Umgangsregelung - eine überzeugende Lösung? NJW 2017, 1787 (1788)); Coester, Stellungnahme für den Familiengerichtstag zu der Entscheidung des BGH vom 1. 2. 2017, FamRZ 2017, 584ff.; so schon OLG München, Beschluss vom 31. August 2016 - 16 UF 1019/16 -, Rn. 15). Der 72. Deutsche Juristentag hat sich mit deutlicher Mehrheit für die rechtssystematische Einordnung des Wechselmodells als das Sorgerecht betreffende Problematik ausgesprochen und ist damit letztlich der Einordnung im vorbereitenden Gutachten von Schumann (Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages Leipzig 2018, Band I, Gutachten, S. B 70,71) gefolgt (vgl. Beschlüsse des 72. DJT, B 5.b., https://www.famrz.de/files/Media/dokumente/pdfs/Beschlüsse%2072.%20DJT%20Familienrecht.pdf).
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 1. Februar 2017 die Auffassung vertreten, zwischen den Verfahrensgegenständen elterliche Sorge und Umgang sei zu differenzieren. Zu der in Literatur und Rechtsprechung weiterhin streitigen Frage, ob eine das paritätische Wechselmodell einführende Regelung zum Umgangsrecht möglich ist, oder ob nicht stattdessen eine sorgerechtliche Regelung notwendig ist, musste sich der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt in dem dort vorliegenden Verfahren nicht äußern, da im konkreten Fall im Ergebnis nur eine - erweiterte - Umgangsregelung in Betracht kam (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 1 UF 74/18 -, zitiert nach juris, Rn.42).
Die in dem Verfahren aufgeworfene Frage, ob es möglich ist, eine Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht mit einer späteren, auf ein paritätisches Wechselmodell gerichteten
Umgangsregelung zu konterkarieren, ist im Hinblick auf die Anknüpfungspunkte gem. § 1696 BGB vom Bundesgerichtshof entschieden worden. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass die vorangegangene Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht keine Bindungswirkung im Hinblick auf ein später eingeleitetes Umgangsverfahren haben könne und § 1696 Abs. 1 BGB daher keine Anwendung finde (BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, juris, Rn. 14 ff.). Die damit verbundene Duplizierung von Verfahren mit - nach dem Sachverhalt - gleichen Streitgegenständen und die damit verbundenen Probleme mit der formellen und materiellen Rechtskraft von Entscheidungen ist angesichts der dem BGH vorliegenden Sache nicht weiter thematisiert worden.
Die Frage, ob das vorliegend vereinbarte paritätische Wechselmodell im Jahr 2018 als umgangsrechtliche Regelung oder als sorgerechtliche Regelung anzusehen war, kann daher vorliegend dahinstehen, denn der im Hauptsacheverfahren gestellte Abänderungsantrag war unabhängig davon zulässig.
Allerdings kann in dem nicht auf Antrag der Mutter, sondern von Amts wegen eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren nicht dahingestellt bleiben, ob Sorgerecht oder Umgang betroffen sind. Denn bereits die Zulässigkeit der Beschwerde hängt davon ab, ob im vorliegenden Verfahren eine Umgangsregelung getroffen wird oder eine sorgerechtliche Regelung.
Der Senat folgt der Ansicht, die eine derartige Anordnung als sorgerechtliche Regelung wertet (Hennemann a. a. O. sowie, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Rn. 27 zu § 1671 BGB mit Verweis auf Kinderrechtekommission FamRZ 2014, 1157 (1163); BeckOK BGB/Veit Rn. 34; Völker/Clausius SorgeR/UmgangsR § 1 Rn. 323; Heilmann NJW 2012, 16 (18); Finke NZFam 2014, 865 (868); Jokisch FuR 2013, 679 (681); OLG Jena FamRZ 2016, 2126; OLG München FamRZ 2016, 2120 (2121); OLG Nürnberg FamRZ 2016, 2119 (2120); OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1736 (1737); OLG Naumburg FamRZ 2015, 764 (765); OLG Saarbrücken NJW-RR 2015, 135 (136); MDR 2014, 1326; OLG Schleswig SchlHA 2014, 456; OLG Brandenburg FF 2012, 457 (458); für Umgangsrecht BGH NJW 2017, 1815 Rn. 15 f. und ihm folgend KG (18. ZS) FamRZ 2018, 1322 (1323); (19. ZS) 2018, 1324 (1326); (3 ZS) NZFam 2018, 637 (639, 640); OLG Hamm BeckRS 2017, 150413; ebenso bereits OLG Braunschweig FamRZ 2015, 61; OLG Naumburg FamRZ 2014, 50; NJOZ 2011, 1999 (2000); AG Erfurt FamRZ 2015, 339, 341 m. krit. Anm. Spangenberg FamRZ 2015, 863; KG FamRZ 2012, 886 (887) im Ausnahmefall; Sünderhauf/Rixe FamRB 2014, 418 (422).
Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes - oder die paritätische Aufteilung eines Lebensmittelpunkts - unterfallen dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht dem Umgangsrecht (ausführlich Hammer FamRZ 2015, 1433). Die Annahme einer sorgerechtlichen Regelung führt zur Statthaftigkeit der Beschwerde gemäß § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG (so für das Wechselmodell auch Keidl/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 57 Rn. 6; Johannsen/Henrich /Büte, Familienrecht, 6. Aufl., § 57 Rn. 6; Völker/Clausius, a.a.O., § 7 Rn. 45).
Der erkennende Senat übersieht nicht, dass der Bundesgerichtshof an seiner Auffassung, die Anordnung des Wechselmodells könne über Umgangsrecht erfolgen, wohl entgegen der breit geäußerten Kritik festhält. Das vorliegende Verfahren zeigt jedoch besonders deutlich auf, welche Auswirkungen die dogmatisch nach Auffassung des Senats unrichtige Einordnung durch den BGH hat: Erstens hätte eine Einordnung als Umgangssache zur Folge, dass die Anordnung der paritätischen Betreuung trotz sehr erheblicher und über Monate andauernder Auswirkungen auf die Kinder, auf die Unterhaltsrechtsverhältnisse, Melderechtsverhältnisse und die Frage etwaiger Unterhaltsvorschussgewährung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht anfechtbar wäre. Zweitens kann in einem Konflikt der Eltern über die elterliche Sorge erst dann eine einstweilige Anordnung von Amts wegen getroffen werden, wenn eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB festgestellt werden kann. Bei Konstellationen wie der vorliegenden, in der die Schwelle für ein Eingreifen in Ausübung des staatlichen Wächteramts nicht erreicht ist, ist dagegen das Antragsprinzip des § 1671 BGB zu beachten, wenn über die Lebensverhältnisse der Kinder und deren Aufenthalt entschieden werden soll. Hier ist das Erziehungsrecht der Eltern zu respektieren und kommt eine Entscheidung von Amts wegen bereits nicht in Betracht. Diese auch im Hinblick auf das Elternrecht nach Art. 6 GG erheblich andere Eingriffsschwelle wird untergraben, wenn das paritätische Wechselmodell als Umgangslösung gedacht und daher von Amts wegen angeordnet wird.
Der Bundesgerichtshof stellt nach Auffassung des Senats zu Unrecht darauf ab, dass sich im Gesetz keine zeitliche Grenze für die Anordnung von „Umgängen“ findet und daher ein Zeitraum bis zur Hälfte der anfallenden Betreuungszeit gewählt werden kann. Auch wenn sich dem Gesetz keine Präferenz für das Residenzmodell entnehmen lässt, so geht doch der erkennende Senat davon aus, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Abstimmung von Sorgerechtsregelungen und Umgangsregelungen aufeinander sichere Rückschlüsse darauf erlaubt, dass der Gesetzgeber mit Umgang eine den Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung gemeint hat, während mit elterlicher Sorge, genauer der Zubilligung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, eine Aufenthaltslösung gemeint ist, die einen überwiegend betreuenden Elternteil schafft.
Allein der allgemeine Sprachgebrauch und der Sprachgebrauch in der juristischen Fachwelt legt dies nahe, weswegen die Auslegung des Bundesgerichtshofes eine nicht mehr durch den Gesetzeswortlaut gedeckte Rechtsfortbildung enthält (so Koch, Anmerkung zu BGH XII ZB 601/15, in: JR 2018, 621 (627)). Angesichts der fehlenden Aussagekraft des Wortlauts des Gesetzes wäre im Übrigen auch auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen, der - wie zu zeigen sein wird - eher eine inhaltliche Differenzierung in dem Sinne anstrebte, dass das aus dem alten „Besuchsrecht“ stammende und dieses erweiternde Umgangsrecht eine andere Qualität als eine Obhut bzw. Sorge darstellt und daher auch andere Regelungen rechtfertigt.
Grimm´sche Wörterbuch - „zumeist die gesellschaftliche Verbindung von Mensch zu Mensch, die beim Umgang stärker ist als bei der „Bekanntschaft“ (http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GU03587#XGU03587). Diese Eingrenzung, die etwas gänzlich anderes als die verantwortliche Obhut für ein Kind meint - auf die es dem das paritätische Wechselmodell verlangenden Elternteil in der Regel ausschlaggebend ankommt - spiegelt sich in den Normen zur elterlichen Sorge und Umgang wider und wird auch schon vor der Kindschaftsrechtsreform aus dem Jahr 1998 so verwendet.
Hier ist regelmäßig vom betreuenden Elternteil einerseits und dem umgangsberechtigten Elternteil andererseits die Rede. Der vor 1998 maßgeblichen Norm zum Umgang eines nicht sorgeberechtigten Elternteils (§ 1634 BGB a.F.) lag dieses Verständnis mit besonderer Deutlichkeit zugrunde, weil hier die Zweiteilung Umgang - elterliche Sorge noch besonders oft zutage trat. Seinerzeit verstand der wohl gängigste Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch den Zweck des Umgangs wie folgt:
„Das Umgangsrecht ist subjektives Recht i.S.v. § 823 Abs. 1, das seinem Inhalt nach nicht darauf gerichtet ist, das Kind zu erziehen, denn dieses Recht hat der sorgeberechtigte Elternteil (…). Das Umgangsrecht soll vielmehr dem Berechtigten die Möglichkeit geben, sich von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes laufend zu überzeugen und die zwischen ihnen bestehenden natürlichen Bande zu pflegen, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen“ (Diederichsen, in: Palandt, BGB, 57. Aufl. 1998, Rn. 5 zu § 1634 BGB). § 1634 Abs. 4 BGB a.F. ordnete an, dass die Vorschrift auf getrenntlebende, beidseits sorgeberechtigte Eltern analog anzuwenden sei, deswegen konnte „Umgang“ derjenige Elternteil verlangen, bei dem sich das Kind „befindet“ (Diederichsen, in: Palandt, BGB, a. a. O.). Auch nach der Reform des Kindschaftsrechts 1998 blieb es bei der eingrenzenden Beschreibung des Regelungsgegenstandes „Umgang“, die Definition und die Einordnung des Umgangszwecks wurde in der Folgeauflage des Palandt wörtlich übernommen (Diederichsen, in: Palandt, BGB, 58. Aufl. 1999, Rn. 9 zu § 1684 BGB). Betont wird, dass der Begriff des Umgangs mehr als das früher verwendete Wort „Besuchsrecht“ umfassen soll, weil grundsätzlich auch Brief- und telefonische Kontakte gemeint sind (Diederichsen, in: Palandt, a. a. O., Rn. 11 zu § 1684 BGB). Damit ist aber auch im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform der Kern des maßgeblichen Unterschieds zwischen elterlicher Sorge und Umgang nicht aufgegeben worden, der sich in dem Begriffspaar betreuender Elternteil - Umgangselternteil widerspiegelt.
Im Regierungsentwurf zur Neuregelung des Kindschaftsrecht aus dem Jahr 1996 findet sich diese unterschiedliche Bewertung ebenso. Es heißt hier (Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG), BT- Drucksache 13/4899, S. 105): „Die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zur Obhutsperson oder zum Umgangsberechtigten beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert, gilt gemäß Satz 2 auch dann, wenn sich das Kind nicht in der Obhut eines Elternteils befindet, sondern etwa in der Obhut eines Vormunds, Pflegers oder von Pflegeeltern. Unter Obhut ist die tatsächliche Betreuung zu verstehen (vgl. § 1629 Abs. 2 Satz 2, § 1748 Abs. 1 Satz 2, § 1751 Abs. 4).“
Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senats auch bei der Schaffung des Familienverfahrensgesetzes vor dem Hintergrund der ganz einhelligen Differenzierung zwischen einem betreuenden Elternteil und einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil Entscheidungen getroffen, die den unterschiedlichen Regelungsinhalt beider rechtlichen Kategorien abbilden.
Während das Sorgerecht auch die Befugnis umfasst, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, dient das Umgangsrecht nach § 1684 BGB dazu, dass der nicht betreuende Elternteil Kontakt mit dem Kind hat (so Hennemann, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Rn. 27 zu § 1684 BGB; so auch Finger, Münchener Kommentar zum BGB 4. Aufl. 2002, Rn. 1 zu § 1684: „Dazu bestehen Umgangsrechte, die für das Kind Verbindungen zu dem Elternteil erhalten, der nicht täglich mit ihm zusammenlebt (aber auch diesem die Befugnis gibt, in Kontakt zu seinem Kind zu bleiben). Diese Überlegungen bleiben nach den Veränderungen in § 1671 durch das KindRG weiterhin wichtig. Selbst wenn Eltern häufig bzw. häufiger als früher gemeinsame Sorgebefugnisse ausüben, wird das Kind bei einem von ihnen seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt haben, so dass dem anderen (nur) „Besuche“ zustehen, auch wenn er an (rechtlichen) Sorgebefugnissen beteiligt ist. Besuchsbefugnisse sind Bestandteile von elterlicher Verantwortung und elterlicher Sorge, die so am verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 6 GG teilnehmen.“).
Das Rechtsmittelrecht bei einstweiligen Anordnungen hat der Gesetzgeber unter Verwendung dieses Sprachgebrauchs für die Entscheidungen eingegrenzt, die weniger weitreichende Folgen haben, nur dieses Verständnis rechtfertigte die Ausnahme der einstweiligen Anordnungen zum Umgangsrecht aus dem Katalog der beschwerdefähigen Sachen in § 57 FamFG. Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass diese Ausnahme ihre Berechtigung darin finde, dass der Eingriff in die formale Rechtsposition der elterlichen Sorge bei der Anordnung des paritätischen Wechselmodells geringer sei als bei der Regelung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei Eltern (so BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017, XII ZB 601/15, Rn. 22). Der Gesetzgeber selbst begründet die Entscheidung zur Eingrenzung des Anfechtungsrechts anders als hier vom BGH vermutet wie folgt: „Die Anordnung von Umgang soll ebenfalls nicht anfechtbar sein. Dies beruht auf der sich aus dem materiellen Recht ergebenden Wertung, dass der Umgang mit den Eltern oder mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, regelmäßig dem Wohl des Kindes dient (§ 1626 Abs. 3 BGB)“ (BT-Drucksache 16/6308, S. 203, Einzelbegründung zu § 57 FamFG). Der Begriff wird hier in dem Sinne eines lediglich dem Aufrechterhalten von Bindungen wesentliches Instrument verwendet, der Maßstab dem Umgangsrecht entlehnt.
Der erkennende Senat ist der Meinung, dass es einen bedeutend stärkeren Eingriff in den gelebten Rechtskreis von Eltern darstellt, wenn - ggf. wie hier - gegen ihren Willen ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, als wenn etwa bei einvernehmlicher Obhutslösung die elterliche Sorge als rechtliche Entscheidungsmacht über ein Kind nach § 1671 Abs. 2 BGB nur einem von ihnen überantwortet wird. Die Auswirkungen der Anordnung eines Wechselmodells als „Umgang“ auf ihre von Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrechte und ihr Elternrecht im Sinne des Art 6 GG sind im Einzelfall erheblich gravierender. Die Entscheidung betrifft keineswegs „nur“ die emotionale Seite des Kindschaftsverhältnisses, sondern auch eine ganze Reihe anderer bedeutsamer Rahmenbedingungen: So wird ein selbst umgangswilliger Elternteil ernstlich gehindert sein, einen etwaigen Umzugsplan umzusetzen, wenn ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, die Eltern werden keine Unterhaltsvorschüsse mehr erhalten können, müssen sich paritätisch am Kindesunterhalt beteiligen, sind gehindert, einzeln eine die Form des § 1613 BGB wahrende Mahnung auszusprechen.
Der Senat geht davon aus, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung, die derart weitreichende Wirkungen hat, nicht aus dem Kreis der anfechtungsfähigen Entscheidungen im Sinne des § 57 FamFG ausnehmen wollte, die zitierte Gesetzesbegründung spricht dagegen. Angesichts des Umstandes, dass im Sprachgebrauch „Umgang“ bis heute tendenziell eher „Besuchsrecht“ als „Obhut“ meint, sah er lediglich keinerlei Veranlassung, eine zeitliche Grenze im Gesetz herauszustellen. Deswegen ergeben auch die fehlenden Hinweise auf eine Begrenzung der Umgangszeiten keinerlei Anhaltspunkte darauf, dass der Gesetzgeber selbst die Anordnung des paritätischen Wechselmodells durch eine Umgangsregelung für möglich oder gar angezeigt hielt.
Soweit vertreten wird, das paritätische Wechselmodell könne über eine Umgangsregelung angeordnet werden, werden im Übrigen auch unterschiedliche Maßstäbe so angewendet, dass die gesetzgeberische Wertung nicht hinlänglich umgesetzt wird. Während Umgang mit dem (nicht betreuenden) Elternteil nach der Vermutung des § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB dem Kindeswohl dient, steht die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells nicht in gleichem Maße a priori fest. Das nimmt auch der BGH an, der bei der Anordnung des paritätischen Wechselmodells sorgerechtliche Maßstäbe zur Anwendung bringt, indem er die geteilte Betreuung durch beide Elternteile in Betracht zieht, wenn sie dem Kindeswohl „am besten entspricht“ (BGH NJW 2017, 1815 Rn. 25 ff.).
Zwischen umgangs- und sorgerechtlichen Regelungen bestehen auch vollstreckungsrechtlich erhebliche Unterschiede. Eine Umgangsregelung kann letztlich gegen den Willen des umgangs- unwilligen Elternteiles nicht vollstreckt werden (BVerfG, Urteil vom 01. April 2008 - 1 BvR 1620/04 -, BVerfGE 121, 69-108). Geht man dagegen mit dem BGH davon aus, dass das paritätische Wechselmodell gegen den Willen der Eltern umgangsrechtlich angeordnet werden kann, werden zwei „nur“ umgangsberechtigte Elternteile geschaffen, die sich rein theoretisch weigern können, das Kind zu übernehmen. Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen Obhut und Betreuung des Kindes einerseits und Umgang andererseits.
Der Senat geht deswegen davon aus, dass die auf die unterschiedliche Bewertung von Sorgerecht und Umgang zurückgehende Ausgestaltung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts durch den Gesetzgeber nur dann adäquat verwirklicht wird, wenn die Anordnung des paritätischen Wechselmodells dogmatisch als Sorgerechtsregelung eingestuft wird.
Insoweit wirkt die den Gesetzeswortlaut unterschiedlichster Normen prägende Interpretation der Begriffe durch den Gesetzgeber begrenzend und ist die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Ausdruck elterlicher Sorge und Obhut zu verstehen. Das zeigt sich im Übrigen auch darin, dass die Elternteile, die das paritätische Wechselmodell leben möchten, ihre Position in jeder Hinsicht verantwortlicher gestalten möchten als dies mit dem Begriff Umgang bezeichnet werden könnte.
Die vorliegend vom Amtsgericht getroffene Regelung ist daher als Sorgerechtsregelung zu qualifizieren, die der Beschwerde nach § 57 Nr. 1 FamFG unterliegt.
Die nach alledem zulässige Beschwerde führt allein deswegen zur - ersatzlosen - Aufhebung der getroffenen Entscheidung, weil es an dem notwendigen Antrag gem. § 1671 Abs. 2 BGB mangelt. Weder das Amtsgericht noch der Senat sieht Anlass zum Eingreifen in die elterliche Verantwortlichkeit wegen Gefährdung des Kindeswohles, deswegen kam eine sorgerechtliche einstweilige Anordnung im Rahmen des § 1666 BGB von Amts wegen nicht in Betracht.
Das gilt auch, obwohl bei Kindern im Alter des am XX.XX.2017 geborenen X der Anordnung des Wechselmodells nach dem annähernd einhelligen Meinungsstand in der psychologischen Literatur durchaus entwicklungspsychologische Gründe entgegenstehen können (Heilmann, Kindeswohl und Wechselmodell, NJW 2015, 3346 (3348); vgl. zum entsprechenden Forschungsstand in der Psychologie: Kindler/Walper: Das Wechselmodell im Kontext elterlicher Konflikte, NZFam 2016, 820 (822, m.w.N.); Rohmann, Kindeswohlprüfung und Grenzen der Billigung, FPR 2013, S. 311; Salzgeber: Das Wechselmodell, NZFam 2014, 921 (922, 925, mit Verweis auf Grossmann/Grossmann, Bindungen, 2004.); Castellanos/Hertkorn, Psychologische Sachverständigengutachten im Familienrecht, 2. Aufl. 2016, S. 100; Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 3. Aufl. 2016, S. 231f.; McKinnon/Wallerstein, Joint Custody and the Preschoolchild, Behavioral Sciences@ the Law, 1986, Vol. 4 (2), S. 169-183, beschreiben bei vielen Kinder jungen Alters Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie im Wechselmodell betreut werden (zit. nach Sünderhauf, Wechselmodell: Psychologie -Recht - Praxis, S. 697); a.A. wohl Franbuch-Grembeck (2004), (an joint physical custody succeed with very young children, Diss. San Francisco 2004, zit. nach Sünderhauf, S. 736f.).
Denn auch nach den Darstellungen der Mutter erreichen die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes keineswegs einen Schweregrad, der das Eingreifen des Staats in Wahrnehmung des ihm in Art. 6 Abs. 2 GG überantworteten Wächteramts notwendig erscheinen lässt.
Deswegen kam eine von Amts wegen zu treffende Anordnung nicht in Betracht und ist die das Antragsprinzip im Ergebnis nicht beachtende Entscheidung aufzuheben. Denn auch in dem Verfahren vor dem Senat haben die beteiligten Eltern keine Anträge gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht möglich.
Diese Entscheidung macht sprach- und fassungslos und zeigt, dass sich einzelne Gerichte willkürlich anmutend eine „eigene Realität“ schaffen und bewusst und sogar noch ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des BGH stellen. So beinhaltet die Entscheidung auch kaum Anhaltspunkte zum eigentlichen Verfahren, sondern besteht weit überwiegend aus rechtstheoretischen und -dogmatischen Darlegung der Sicht des 2. Senats des OLG Frankfurt.
Zur Sachfrage kann lediglich festgestellt werden, dass zwischen den Eltern unterschiedliche Wahrnehmungen im Verhalten der Kinder festzustellen waren. Dies ist bei getrennten Eltern häufiger der Fall und nichts ungewöhnliches, die Feststellung der Ursachen ist dann einer Entscheidung in der Hauptsache, auch auf Basis des zu erstellenden Gutachtens, vorbehalten. Durch die Anordnung der Doppelresidenz hat das Amtsgericht eine Basis geschaffen, aufgrund derer eine valide Beurteilung des Verhaltens der Kinder möglich wird, wobei der angeordnete Wochenrhythmus zugegebenermaßen für ein so junges Kind schon recht ausgedehnt ist. Hier ist aber positiv anzumerken, dass die Eltern gemeinsam, ohne Hilfe des Gerichtes, eine Lösung gefunden haben, eine für sie und ihre Kinder passendere Lösung mit gleichverteilten Betreuungsanteilen zu finden. Dies stellt für Eltern im familiengerichtlichen Verfahren eine beachtliche Leistung dar und zeigt, welches Einigungspotential diese Eltern trotz ihrer Differenzen noch haben, wenn sie auf Augenhöhe agieren können.
Nicht thematisiert wurde vom OLG, dass die Argumentation der Mutter, die Kinder wären durch die häufigen Wechsel überfordert, nicht haltbar ist, da mit der vom Amtsgericht einstweilen getroffenen Regelung die Wechsel erheblich reduziert hätten, die zwischen den Eltern aber wieder getroffene Regelung erneut eine hohe Anzahl an Wechseln bedeutete.
In der Sache ist rechtlich erst einmal festzustellen, dass die Beteiligten hier von einer Umgangsregelung ausgehen, Mutter und Vater entsprechende Anträge gestellt haben und auch das Amtsgericht eine vorläufige Umgangsregelung getroffen hat.
Der 2. Senat des OLG Frankfurt deutet dies für sich jedoch in einen Sorgerechtsantrag um. Allein dies ist schon mehr als fragwürdig, denn im Sorgerecht gilt das Antragsverfahren – stellt also kein Beteiligter einen Antrag, kann das Gericht unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung (§1666 BGB) von sich aus überhaupt nicht tätig werden, was auch das OLG später noch erkennen wird. Das Amtsgericht hat ausdrücklich noch keine Entscheidung im ebenfalls anhängenden Sorgerechtsverfahren getroffen. Das Vorgehen des 2. Senats des OLG Frankfurt findet keine rechtliche Grundlage und kann durchaus als willkürlich bezeichnet werden.
Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund für einstweilige Anordnungen in Umgangsverfahren keine Möglichkeit der Beschwerde geschaffen. Dies geht auch aus der Systematik des §57 FamFG hervor. Hiermit sollte eine Verlässlichkeit für die Eltern in der Betreuung der Kinder für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung geschaffen werden. Da Kindschaftsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich beschleunigt durchzuführen sind, ergeben sich hieraus auch keine unzumutbar langen Konsequenzen, die nicht durch eine zeitnahe Hauptsacheentscheidung behoben werden könnten.
Damit erübrigen sich auch die vom OLG angeführten Punkte, dass durch solche Entscheidungen Auswirkungen auf Unterhalt- oder Unterhaltsvorschuss geschaffen werden könnten. Dies sind nachgeordnete Folgewirkungen von Entscheidungen, die ein Gericht unter Abwägung der Kindeswohlaspekte getroffen haben. Offensichtlich stellt das OLG hier kurzzeitige Unterhaltsfragen über die Bedeutung des Kindeswohls, wie auch am Ende der Entscheidung noch einmal deutlich wird. Dort geht das Gericht in seiner Argumentation gar so weit auszuführen, dass durch die einstweilige Anordnung der Doppelresidenz ein Elternteil auch an einem Wegzug gehindert wäre. Dabei blendet das Gericht einerseits aus, dass es einem umzugswilligen Elternteil jederzeit freisteht, sich hierzu auch mit dem anderen Elternteil bezüglich seiner eigenen Betreuungsverantwortung zu verständigen (wie es die Eltern im vorliegenden Fall bereits getan haben) und dass es, soweit es um einen Umzug mit dem Kind geht, der umzugswillige Elternteil bei gemeinsamer Sorge sowieso an die Zustimmung des 2. Elternteils gebunden wäre, völlig unabhängig vom Betreuungsanteil. Wie auch in Fragen der Unterhaltsberechnung könnten Eltern in Doppelresidenz bei dringendem Handlungsbedarf eine Einzelentscheidung zur Elterlichen Sorge nach §1628 BGB oder zur Vertretungsberechtigung nach §1629 BGB beantragen. Die beigezogenen Argumentationsversuche des Gerichtes entbehren damit jeder Grundlage.
Der 2. Senat des OLG Frankfurt führt auch noch ausdrücklich aus, dass sowohl der BGH als auch die Praxis der umgangsrechtlichen Regelung den Vorzug einräumt. Rein aus rechtdogmatischen Gründen will dieser Senat weder der Herrschenden Auffassung der Rechtsprechung noch der Entscheidung des BGH folgen. Nach seiner Auffassung kann die strittige Anordnung, nicht nur in der einstweiligen Anordnung, sondern grundsätzlich, ausschließlich im Sorgerecht erfolgen. Auch die ausdrücklichen Ausführungen des BGH, dass für eine Umdeutung eines Umgangsverfahrens in ein Sorgerechtsverfahren kein Anlass bestehe, führt das OLG aus und ignoriert dies ausdrücklich.
Begründet wird dies damit, dass der 2. Senat des OLG Frankfurt die Auslegung des BGH für grundsätzlich falsch hält und dies an einigen Stellen in der Literatur auch diskutiert wurde. Positive Stimmen in der juristischen Diskussion wurden allerdings ausgelassen, teilweise bezog man sich dabei sogar auf Quellen vor der BGH-Entscheidung. Die aus Sicht des OLG dogmatische Entscheidung des (übergeordneten) BGH ablehnend, postulierte das OLG (untergeordnet) selbst dogmatisch, dass eine Entscheidung der paritätischen Betreuungsregelung nur dem Sorgerecht unterfallen könne – unter Bezugnahme auf einen Aufsatz von Hammer aus dem Jahr 2015, also zwei Jahre vor der BGH-Entscheidung. Hieraus leitete das OLG die Statthaftigkeit der Beschwerde ab.
Faktisch hat der 2. Senat des OLG Frankfurt damit den Richter Hammer mit seiner Meinungsäußerung und seine eigene Sicht über die eindeutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die von der breiten Masse der Rechtsprechung geteilt wird, gestellt. Dies dürfte ein bisher einmaliger Vorgang sein und hoffentlich auch bleiben, denn solch willkürliches Vorgehen eines Gerichtes erschüttert massiv das System der Rechtssicherheit durch die Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte. Würden mehrere Gerichte so handeln wie der zweite Senat des OLG Frankfurt, könnten die Bundesgerichte faktisch abgeschafft werden, um regionaler Willkür Platz zu machen.
Indem das OLG die Sicht des BGH als aus seiner Sicht durchgehend falsch darstellt, setzt es sich in nicht zu vertretender Art und Weise über Grundprinzipien der deutschen Rechtsprechung hinweg. Das Verhalten des OLG erinnert in bezeichnender Weise an einen hochstrittigen Elternteil, der trotz vorliegender umfangreicher Argumentationen und Nachweise weiterhin der Meinung ist, dass nur seine eigene Meinung die richtige sein könne und alle anderen sich irren würden. Dies stellt eine grobe Missachtung der Grundlagen unseres Rechtssystems dar und stellt die Frage, ob diese Richter tatsächlich noch auf der Basis unserer Rechtsordnung agieren und ob sie weiterhin in ihrer Funktion haltbar sind. Auch die später noch herangezogenen Auslegungen der Gesetzesbegründungen, hier insbesondere BT Drucks 16/6308, sind nur als völlig haltlos zu bezeichnen, spiegeln aber wieder, dass der 2. Senat des OLG Frankfurt in freier Auslegung wohl auch bestimmt, welchen Willen der Gesetzgeber nach seiner Ansicht hatte, auch wenn sich hierzu in den genannten Unterlagen keinerlei Anknüpfungspunkte für die geführte Argumentation finden.
Dass dann als Begründung noch das „Grimm´sche Wörterbuch“ zur rechtsdogmatischen Einordnung herangezogen wird, entbehrt durchaus nicht einer gewissen Komik – anders ausgedrückt, war dies die passende Quelle für die Märchenstunde des 2. Senats des OLG Frankfurt, um seine eigene Auffassung irgendwie doch noch rechtfertigen zu können. Das Grimm´sche Wörterbuch wurde bereits 1961 eingestellt (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_W%C3%B6rterbuch). Auch dies erinnert an einen völlig uneinsichtigen Elternteil, der wider besseren Wissens unter allen Umständen beweisen möchte, dass seine Sicht die einzig richtige sein kann. Hierzu passt auch, dass der 2. Senat des OLG Frankfurt in seinen Begründungsversuchen bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht, völlig ignorierend, dass sich nicht nur das Familienleben, sondern auch die Rechtsprechung seitdem nachhaltig verändert hat.
Die Entscheidung in der Sache nach der ausführlichen Darlegung der Rechtsauffassung des 2. Senats des OLG Frankfurt ist dann aus deren Sicht nur konsequent. Das OLG hebt die (Umgangs-) Entscheidung des Amtsgerichts auf, da es aus seiner Sicht eine sorgerechtliche Entscheidung getroffen hätte. Eine sorgerechtliche Entscheidung bedürfe allerdings eines Antrages und könne, anders als Umgangsentscheidungen, nicht von Amts wegen ergehen. Von Amts wegen könne sorgerechtlich nur eingegriffen werden, wenn die Schwelle zur Kindeswohlgefährdung überschritten wäre, wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich wären. Weshalb dann aber mit einer derartigen Militanz die vorläufige Umgangsregelung aufgehoben werden musste, erschließt sich nicht, zumal das Gericht an anderer Stelle selbst darauf hinwies, dass selbst die Mutter die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes für nicht derart gravierend hielt, dass ein staatliches Eingreifen erforderlich werden würde. Letztlich fallen die Eltern nun wieder auf eine Doppelresidenz mit recht häufigen Wechseln zurück, für die anstehende Begutachtung wird der Sachverständige also erneut veränderte Umstände vorfinden, sofern die Eltern nicht einvernehmlich ihr selbst gefundenes Betreuungsmodell fortführen, was dann nicht nur die OLG-Entscheidung überflüssig gemacht hätte.
Auch die anschließende, sehr allgemein gehaltene Feststellung des OLG, dass der Doppelresidenz „nach dem annähernd einhelligen Meinungsstand in der psychologischen Literatur durchaus entwicklungspsychologische Gründe entgegenstehen können“ beinhaltete keinerlei Bezug zum aktuellen Fall und blendete darüber hinaus – wenig überraschend - elementare Erkenntnisse der zeitgemäßen Bindungsforschung und Erkenntnissen zur Doppelresidenz aus (vergl. u.a. Konsensreport von Warshak, Forschungen von Fabricius, Bergström etc.).
Ein besonderes Schmankerl führte das Gericht dann ganz am Ende noch auf, nämlich das die Rechtsbeschwerde zum BGH nach §70 Abs. 4 FamFG nicht möglich ist. Dies dürfte eine der wenigen rechtlichen Einschätzungen in diesem Beschluss sein, die korrekt ist. Es mag auch erklären, weshalb sich der 2. Senat des OLG Frankfurt gerade eine solche Entscheidung herausgriff und diese noch – auch dies außergewöhnlich – noch mit einer Pressemitteilung begleitete. Es muss für die Richter schon einen besonderen Reiz gehabt haben, die Rechtsauffassung des BGH als aus ihrer Sicht öffentlichkeitswirksam als grundlegend falsch darzustellen, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass der BGH diese Sicht korrigieren könnte.
Zusammenfassend muss man festhalten, dass der 2. Senat des OLG Frankfurt KEINEN einzigen Grund angeführt hat, dass die Anordnung der Doppelresidenz des Amtsgerichtes aus Gründen des Kindeswohls hätte aufgehoben werden müssen. Das Gericht bezieht sich ausschließlich auf aus seiner Sicht rechtsdogmatische Gründe, die es selbst in abenteuerlicher Weise herbeikonstruiert hat und die weder in der Rechtsprechung des BGH noch in geltenden Gesetzen eine Grundlage finden. Die Entscheidung verdeutlich aber auch erneut, dass die Trennung zwischen Sorge- und Umgangsrecht nicht sachgerecht ist und das Familienrecht einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, welcher sich der Gesetzgeber leider immer wieder konsequent entzieht.
Letztlich erweist der 2. Senat des OLG Frankfurt, in Bezug auf die Doppelresidenz auch im Zusammenwirken mit dem ersten Senat desselben Gerichtes, in mehrfacher Hinsicht einen Bärendienst. Zum einen beschädigen sie mit ihren wiederholt willkürlichen anmutenden Auslegungen erheblich das Vertrauen in die Rechtsprechung und unterminieren die Autorität des Bundesgerichthofes. Beide Senate mit ihren häufig in der Öffentlichkeit präsenten Vorsitzenden, die auch in mehreren Veröffentlichungen und Auftritten ihre mehr oder weniger deutliche Ablehnung der Doppelresidenz aufgezeigt haben, beweisen, dass die persönliche Einstellung von Richtern mehr zählt, als die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Die zahlreichen veröffentlichten Entscheidungen dieser beiden Senate weisen immer wieder erhebliche rechtliche und logische Mängel auf. Dies nährt die Vermutung, dass man dort die Doppelresidenz unter allen Umständen zu verhindern versucht.
Für den Gesetzgeber sollte dies eine deutliche Mahnung sein. Er wird seinen Willen noch klarer ausdrücken müssen. Er wird angesichts solcher Auswüchse der Rechtsprechung auch in Erwägung ziehen müssen, die grundsätzlich wichtige richterliche Freiheit in diesen emotionalen Bereichen einzuschränken, wenn Richter wiederholt und ohne, dass es Konsequenzen hat, Entscheidungen treffen, die auch von fachkundigen als unhaltbar, willkürlich oder gar rechtswidrig gesehen werden könnten.
Den Preis dafür müssten dann auch all die Richter tragen, die ihre richterliche Unabhängigkeit verantwortungsvoll ausüben. Bis es soweit ist, müssen vor allem Eltern und Kinder mit den Konsequenzen leben, die solch ideologisch anmutenden Entscheidungen nach sich ziehen. Die hiesige Entscheidung ist ein Musterbeispiel, wie Richter aus rechtsdogmatischer Sicht die Bedürfnisse der Familie, die nicht einmal ansatzweise in die Entscheidung eingeflossen sind, völlig aus den Augen verloren haben. Wäre dieser Senat mit seinem Verhalten ein Elternteil müsste man ernsthaft überlegen, ihm das Sorgerecht zu entziehen. Eine Option, dies es natürlich (leider) gegenüber Gerichten nicht gibt.
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