Eine Doppelresidenz kann für einen Elternteil nicht angeordnet werden, solange dieser die Kinder negativ beeinflusst


OLG Bamberg
Aktenzeichen: 2 UF 133/17 vom 18.09.2017
Veröffentlicht in Bayern-Recht

 

Tenor / Inhalt der Entscheidung

Leitsatz von doppelresidenz.org

 

 

Eine Doppelresidenz kann für einen Elternteil nicht angeordnet werden, solange dieser die Kinder negativ beeinflusst

 

Zum Sachverhalt

Nach Auszug der Mutter nahm diese die Kinder mit sich, der Vater hatte Umgang. In Kommunikation und Abstimmung gab es immer wieder Probleme. Das Amtsgericht holte ein Sachverständigengutachten ein und übertrug infolge dessen das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter. Als Gründe wurden neben der Kontinuität die mangelnde Kommunikationsfähigkeit und anhaltende Streitigkeiten der Eltern genannt. Außerdem wurde festgestellt, dass der Vater die Kinder negativ beeinflusse. Die Kinder haben konstant den Wunsch geäußert, mehr Zeit mit dem Vater verbringen zu wollen. Der Vater wollte, sowohl im Sorge- als auch im Umgangsverfahren die Doppelresidenz umsetzen und erhoffte sich hierbei eine Verbesserung der Kommunikation und Kooperation.

Das Oberlandesgericht bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichtes. Der Wunsch der Kinder nach mehr Zeit mit dem Vater sei mit falsche Zielvorstellungen, nämlich einem Konfliktfreien Kontakt zu beiden Eltern, verbunden. Der Vater habe aber die Trennung noch nicht überwunden, verharrt in der Opferrolle und die Kinder würden im Rahmen des Umganges dessen Belastungen wahrnehmen. Er sei seit längeren aufgrund der psychischen Belastungen arbeitsunfähig geschrieben und aktuell in Psychotherapie.

 

Kommentar von doppelresidenz.org

Im Ergebnis ist die Entscheidung, hier keine Doppelresidenz anzuordnen, durchaus nachvollziehbar, auch wenn den rechtlichen Argumentationen nicht in jedem Punkt gefolgt werden kann. Wenn man dem Beschluss folgt, dann ist der Vater aktuell nicht in der Lage, sich auf die Bedürfnisse der Kinder einzustellen und würde diese im Rahmen des (umfangreichen) Umganges zu sehr belasten. Hier scheint es an seinem eigenen Verhalten zu liegen, was er anscheinend auch selbst erkannt und entsprechende Maßnahmen, an seinem Verhalten zu arbeiten, in die Wege geleitet hat.

Nicht erkennen kann man aus dem Beschluss, wie es dazu kam, ob erst durch die Trennung und den erlebten Verlust der Kinder, oder ob es hierfür andere Gründe gab. Unter Umständen hätten andere Regelungen von Anfang an zur Entlastung des elterlichen Konfliktes beitragen können.

Der Beschluss offenbart allerdings in mehrfacher Hinsicht ein rechtliches Dilemma, dessen sich die Gerichte und auch Eltern ausgesetzt sehen.

Zum einen, die Trennung in Sorge- und Umgangsrecht. In beiden Fällen ging es letztendlich nur darum, wie die Zeit mit den Kindern geregelt wird, verfahrensrechtlich handelt es sich jedoch um zwei Verfahren mit zwei mal Kosten und zwei Entscheidungen. Eigentlich unnötig, wenn das Gericht die Möglichkeit hätte, über die Ausgestaltung der „elterlichen Verantwortung“ zu entscheiden. So hätte zur Entlastung der Kinder direkt angeordnet werden können, dass die Übergaben nicht mehr persönlich, sondern über Kita oder Schule durchgeführt werden, um die Kinder zu entlasten. Auch hätte den Eltern aufgegeben werden können, zur Entlastung der Kommunikation ein Umgangsbuch zu führen und sich beispielsweise im Rahmen einer Erziehungsberatung hierbei unterstützen zu lassen, diese bewusst unpersönliche Minimalkommunikation vernünftig umsetzen zu können. Der Beschluss hat letztendlich an der für die Kinder schwierigen Situation nichts verbessert.

Zum anderen fehlt hier für Vater und Kinder die Perspektive. Sollte der Vater sein Leben und seine Einstellung mit therapeutischer Hilfe in absehbarer Zeit wieder in geordnete Bahnen lenken, würde einer Doppelresidenz eigentlich kaum etwas im Wege stehen und auch dem Wunsch der Kinder nach mehr Zeit mit dem Vater entsprechen. Sofern die Mutter damit jedoch nicht einverstanden sein sollte, zeigt sich eine bedeutende rechtliche Hürde: der §1696 BGB, welcher eine Abänderung der bestehenden Entscheidung kaum möglich macht. Hier wäre dann Fingerspitzengefühl der Gerichte gefragt, den Entwicklungen und Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden und den Gestaltungsspielraum solch gesetzlicher Regelungen dafür zu nutzen, positive Entwicklungen zu würdigen und damit auch zu einer Entspannung der Situation beizutragen, sollte es den Eltern alleine nicht möglich sein.

Alternativ wäre es vielleicht auch eine Option gewesen, das Verfahren noch nicht zu entscheiden und die Entwicklung des Vaters anlässlich der erst kurz zuvor begonnenen Therapie zu beobachten und dann zu einem späteren Zeitpunkt eine längerfristige Entscheidung zu treffen. Hier besteht dann aber wieder ein gerichtlicher Zielkonflikt mit dem Beschleunigungsgrundsatz in Kindschaftsverfahren.

 


Zuletzt geändert am 28.01.2020 um 19:46

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