Die Entscheidungsdatenbank befindet sich zur Zeit noch im Aufbau. Nach und nach werden wir hier weitere Entscheidugen einstellen und entsprechend in Bezug auf die Doppelresidenz kommentieren.
Nach der Trennung der Eltern noch in der gemeinsamen Wohnung beantragte die Mutter unmittelbar das Aufenthaltsbestimmungsrecht, der Vater trat dem entgegen. Aufgrund der hochstrittigen Trennungskonstellation wurde durch das Jugendamt ein Krisen-Clearing durchgeführt.
In der Übergangszeit sollte vorläufig ein Nestmodell mit annähernd gleichen Betreuungsteilen gelebt und ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Im Sachverständigengutachten wurde empfohlen, probeweise eine abwechselnde Betreuung an den mittlerweile bestehenden beiden Wohnorten der Eltern durchzuführen (Doppelresidenz). Jugendamt, Verfahrensbeistand und Vater sprachen sich ebenfalls dafür aus, die Mutter hatte Vorbehalte und wollte lediglich einem erweiterten Umgang des Vaters zustimmen. Das Amtsgericht ordnete eine paritätische 4:5:5-Betreuung an, die Wechsel sollten ohne Kontakt der Eltern über die Kita erfolgen.
Die Eltern erhielten zahlreiche Hilfen zur Erziehung, die Stimmung zwischen den Eltern sei „sehr angespannt bis feindselig“. Die Mutter wechselte ihre Anwältin und diese beantragte, dass Verfahren fortzusetzen, da das Kind nach Angaben der Mutter Verhaltensauffälligkeiten zeige. Zudem äußerte sie den Verdacht intimer Übergriffe des Vaters gegenüber dem Kind. Jugendamt. Sachverständiger und Verfahrensbeistand konnten keine Auffälligkeiten beobachten und empfahlen einen wöchentlichen Betreuungs-Rhythmus.
Das Amtsgericht wies die Sorgerechtsanträge der Eltern zurück und regelte die Betreuung im wöchentlichen Wechsel. Sorgerechtliche Eingriffe brauche es nicht, da zwischen den Eltern lediglich die Regelung der Betreuungszeiten strittig ist. Das Kind sein trotz des elterlichen Streits gut entwickelt, es sei auch fraglich, ob durch das Residenzmodell die Streitigkeiten verringern würden.
Die Mutter ging gegen die Entscheidung in Beschwerde, ein Wechselmodell komme wegen der Konflikte der Eltern nicht in Betracht. Das Gericht müsse daher über den Lebensmittelpunkt entscheiden, der bei ihr liegen solle. Der Vater solle einen erweiterten Umgang haben. Die Streitigkeiten würden mit der Übertragung des Sorgerechts auf sie abnehmen, weil sie sich ja dann nicht mehr mit dem Vater abstimmen müsse. Die Beratungsangebote hätten in der Vergangenheit nichts gebracht und würden auch zukünftig nichts bringen.
Der Vater verteidigte die Entscheidung des Amtsgerichtes und berichtete, dass es dem Kind mit der Doppelresidenz gut gehe. Der Sachverständige hielt auch nach erneuten Gesprächen an seiner Empfehlung der wöchentlich wechselnden Betreuung fest. Die Eltern sollten aber weiter in Beratung bleiben.
„Nur so könne die aus der Hochkonflikthaftigkeit der Eltern verbundene strapaziöse Lebenssituation für Zxxx beendet werden, welche die Grenze einer Kindeswohlgefährdung erreicht habe und bei unvermindertem Fortbestehen des konflikthaften Elternverhaltens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer seelischen und kognitiven Störung des Kindes führen werde, die sich unter Umständen erst im Alter von 10 bis 11 Jahren zeigen werde“.
Jugendamt und Verfahrensbeistand schlossen sich der Einschätzung des Sachverständigen an. Aus ihrer Sicht „gebe keine bessere Alternative zur jetzigen Regelung, insbesondere würden sich die Konflikte der Eltern durch andere Betreuungsgestaltungen nicht verringern“.
Das Kammergericht wies die Beschwerde der Mutter, bis auf die Regelung einiger Urlaubszeiten, zurück. Es nahm umfangreich Bezug auf die Rechtsprechung des BGH und führte die dort vorgegebenen Kriterien aus. „Die Vorgaben des BGH sind dabei nicht wie Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, sondern es sind die in Betracht kommenden Betreuungsalternativen zu untersuchen und die jeweiligen Vor- und Nachteile für das konkrete Kind und seine Eltern wertend gegeneinander abzuwägen (Hammer, FamRZ 2015, 1433, 1442).“
Die gelte insbesondere für den vorliegenden Fall, wo die Doppelresidenz bereits gelebt werde und es nicht um eine erstmalige Einrichtung derselben gehe. Die Doppelresidenz stelle in Abwägung mit anderen Betreuungsmodellen die am wenigsten schädliche Alternative dar, auch unter Berücksichtigung der Konflikthaftigkeit der Eltern und des damit vorhandenen Loyalitätskonfliktes des Kindes.
Beide Eltern seinen grundsätzlich erziehungsgeeignet. Auch die Berufstätigkeit der Mutter stehe der Betreuung nicht entgegen, zumal sie über ein Netz von weiteren Personen zur kurzzeitigen Fremdbetreuung verfüge, sofern dies notwendig sei.
Für das von der Mutter behauptete übergriffige Verhalten gebe es auch nach Einschätzung des Sachverständigen und weiteren Ermittlungen keine Anzeichen, was auch Jugendamt und Verfahrensbeistand bestätigten. Das Gericht führte dazu auch aus: „Letztlich dürfte auch die Mutter selbst nicht von wiederholten und gravierenden Grenzüberschreitungen des Vaters ausgehen, wenn sie sich für einen erweiterten Umgang des Vaters ausspricht“.
Eingeschränkt sei vor allem die Kooperationsbereitschaft und –fähigkeit der Eltern.
„Die Bindungstoleranz der Eltern, d.h. die Fähigkeit, Beziehungen des Kindes zum anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen einerseits insoweit gut ausgebildet, als der Vater Erziehungsentscheidungen der Mutter durchaus akzeptieren kann sowie ihre Mitbetreuung möchte. Auch die Mutter befürwortet einen umfangreichen Kontakt des Kindes zum Vater, beide Eltern reden zudem in Gegenwart des Kindes nicht schlecht über den anderen Elternteil. Gleichwohl vermittele die Mutter dem Kind nonverbal, dass etwas mit der Betreuung durch den Vater nicht in Ordnung sei, während der Vater berechtigte Wünsche des Kindes nach Kontakten mit der Mutter zum Teil unterbinde. Auch insoweit wirkt sich vor allem die fehlende Kommunikation der Eltern nachteilig aus, indem unbefangene Äußerungen des 4-jährigen Kindes als bösartige Äußerungen des anderen Elternteils unterstellt werden …“.
Der Kindeswille spreche ebenfalls für die Doppelresidenz, genauso wie die mittlerweile zweijährige Kontinuität der hälftigen Betreuung, die Bindung des Kindes an beide Eltern sei vergleichbar. Es wurde festgehalten, dass die Mutter „diesem Modell zu keinem Zeitpunkt vorbehaltlos zugestimmt“ habe.
„In Abwägung der verschiedenen Kriterien weisen alle denkbaren Betreuungsgestaltungen neben Vorteilen erhebliche Defizite und Nachteile für Zxxx auf. Die Fortsetzung der hälftigen Betreuung sieht der Senat aber im Ergebnis entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen, des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes als die verhältnismäßig beste an.
Der Vorschlag der Mutter, Zxxx solle überwiegend bei ihr leben und an einem verlängerten Wochenende sowie einem zusätzlichen Nachmittag erweiterten Umgang mit dem Vater haben, stellt die verhältnismäßig ungünstigste Regelung dar. Geringe Alltagskonflikte oder geringer Absprachebedarf sind dadurch nicht zu erwarten, vielmehr wäre diese Regelung mit zusätzlichen konfliktanfälligen Betreuungswechseln für Zxxx verbunden und es müssten eher noch zusätzliche Absprachen bzgl. Terminen, Wechselkleidung, Vorkommnissen in der Kita usw. getroffen werden. Damit würden der Loyalitätsdruck des Kindes und die Konflikte der Eltern im Nachgang der Wechsel eher noch steigen. Zudem wäre für die Kita, die in gewisser Weise als neutrale Instanz zwischen den Eltern fungiert und die Eltern mit Informationen versorgt, unklarer, bei wem sich Zxxx gerade aufhält. Gegenüber der bisher praktizierten klaren und stabilen Regelung mit einmaligem wöchentlichen Wechsel würde diese Regelung zusätzliche Unruhe und Belastung für Zxxx und die Eltern bringen.
Ein klarer Lebensmittelpunkt des Kindes bei einem Elternteil mit einem weitgehend auf das Wochenende beschränkten Umgang des anderen Elternteils könnte hingegen dafür sorgen, dass weniger Konflikte der Eltern über Alltagsfragen auftreten, weil diese gemäß § 1687 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB allein vom hauptsächlich betreuenden Elternteil zu treffen wären (z.B. routinemäßige Arztbesuche usw.), während der andere Elternteil lediglich Entscheidungen hinsichtlich der tatsächlichen Betreuung zu treffen hätte (§ 1687 Abs. 1 S. 4 BGB). Nach Einschätzung des Sachverständigen ist jedoch zu erwarten, dass sich die sonstigen Konflikte und das Konfliktverhalten der Eltern insgesamt sich sogar noch verschärfen, weil ein Elternteil subjektiv „verloren“ hätte. Nach dem in der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruck des Senats ist eine Verschärfung des Konflikts auch dadurch zu befürchten, dass der Umgangselternteil umso mehr versuchen würde, Zxxx auf seine Seite zu ziehen und mit den vorhandenen finanziellen Mitteln „Superwochenenden“ zu gestalten. Ein Wochenende wird vermutlich auch kaum reichen, Zxxx in ihrem Bedürfnis nach Zuwendung durch den Wochenendelternteil „satt“ zu machen, nachdem sie bisher ihre enge Beziehung zu beiden Eltern jeweils über einen längeren Zeitraum und auch im Alltag pflegen konnte. Die Eltern wären zudem weiter darauf verwiesen, im Rahmen der verbleibenden gemeinsamen elterlichen Sorge in wichtigen Angelegenheiten gemeinsame Entscheidungen treffen zu müssen (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB). Gleichzeitig würde dies für das Kind die abrupte und ganz erhebliche Einschränkung der Beziehung zu einer den zwei wichtigsten und gleichwertigen Bezugspersonen bedeuten. Diese Nachteile würden - auch im Hinblick auf den entgegenstehenden beachtlichen Kindeswillen - die Vorteile nicht aufwiegen.
Für die auch vom Sachverständigen, dem Verfahrensbeistand und dem Jugendamt befürwortete Fortsetzung der geteilten Betreuung spricht, dass dies der dem Kind seit langem vertrauten tatsächlichen Betreuung entspricht und ein nach psychologischen Maßstäben beachtlicher Kindeswille dahingehend vorliegt, dies auch aufrechtzuerhalten, wobei dieser Wille im Alter von Zxxx in erster Linie Ausdruck der gefühlsmäßigen Beziehung zu beiden Elternteilen ist. Der Senat verkennt nicht, dass der Loyalitätsdruck des Kindes erheblich und die Belastung durch den Elternstreit beträchtlich ist. Auch die Rigidität und fehlende Durchlässigkeit der Betreuung für jeweils eine ganze Woche bedeuten unter Berücksichtigung von Zxxx Alter und ihres altersbedingten Zeitempfindens eine erhebliche Belastung, zumal Zxxx jeweils am Ende der Woche den anderen Elternteil vermisst und dies auch äußert. Der Sachverständige hat insoweit prognostiziert, dass bei ungehindertem Fortgang mit kognitiven und seelischen Störungen bei Zxxx zu rechnen sei. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass sich Zxxx nach Einschätzung des Sachverständigen als äußerst resilientes Kind erwiesen hat, mit den Belastungen also relativ gut umgehen kann, und sich auch die im unmittelbaren Verhältnis zum Kind sehr guten Erziehungsfähigkeiten der Eltern sowie das Bestreben der Eltern, die Konflikte von dem Kind möglichst fern zu halten, positiv und schützend auswirken. Nach den Angaben der Bezugserzieherinnen in der Kita ist Zxxx seit dem Übergang von dem früheren 4:5:5-Betreuungsrhythmus zu dem jetzigen 7:7-Rhythmus eher noch ausgeglichener, offener, stabiler und kontaktfreudiger geworden, die klare Struktur der Betreuung tue ihr gut. Zxxx berichte offen über ihre zwei Zuhause und zeige auch sonst in der Kita keinerlei Auffälligkeiten. Sie zeige auch keine Unterschiede im Verhalten, ob sie von dem einen oder anderen Elternteil komme, auch am Wechseltag würde man ihr nichts anmerken. Die Angaben der Kita sowie die Einschätzung des Sachverständigen und des Verfahrensbeistandes entsprechen dem Eindruck des Senats aus der persönlichen Anhörung von Zxxx, die trotz Kenntnis des Gegenstandes der Anhörung offen und fröhlich wirkte sowie unbefangen über beide Eltern sprechen konnte. Hinsichtlich der Erwartungen für eine Verbesserung der Kommunikation ist zu berücksichtigen, dass die Eltern sich seit der Trennung im familiengerichtlichen Verfahren befinden und um die Betreuung streiten und deshalb beständig nach Fehlern beim anderen Elternteil suchen. Gleichzeitig waren die Beratungsansätze geprägt von zunächst seltenen Terminen in der Erziehungsberatungsstelle in Abständen von zwei Monaten und späteren zusätzlichen Gesprächen mit zwei Familienhelfern im Zusammenhang mit begleiteten Übergaben. Der Senat erachtet es daher als durchaus realistisch, dass die Eltern nach dem nunmehrigen Abschluss des Verfahrens und einer verbindlichen Betreuungsregelung sowie Inanspruchnahme der ihnen aufgegebenen monatlichen Beratungs- oder Therapiegespräche bei nur einer Stelle und im Hinblick auf die gemeinsamen Themen nach und nach zu verbesserter und direkter Kommunikation in der Lage sein können.
Die hälftige Betreuung wird daher – in Übereinstimmung mit dem BGH – nicht angeordnet, um dadurch die Kommunikation zu verbessern. Sie wird vielmehr trotz der schlechten Kommunikation der Eltern angeordnet, weil dies der seit langem praktizierten Betreuung gegenüber anderen Betreuungsgestaltungen und dem beachtlichen Kindeswillen entspricht, die defizitäre Kommunikation sich bisher nicht nachteilig auf das Kind auswirkt, die klare und mit wenigen Wechseln verbundene Regelung für Zxxx stabilisierend und vorhersehbar ist und eine Besserung der Kommunikation durch regelmäßige und hochfrequentere Beratung ohne parallel laufendes Gerichtsverfahren möglich erscheint.“
Es wurden Details zum Urlaubsumgang geregelt und den Eltern eine monatliche Beratungsauflage erteilt, wobei gleichzeitig klargestellt wurde, dass diese aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht vollstreckbar sei. Dazu wurde ausgeführt: „Der Senat teilt nicht die Auffassung der Mutter, dass künftige Beratungsangebote keinen Erfolg haben könnten. Zwar hatten die Beratungsangebote in der Vergangenheit nur begrenzten Erfolg, allerdings stand dabei die streitige Betreuungsregelung im Vordergrund, die nunmehr aber verbindlich geregelt ist. Die Eltern haben eine Vielzahl von gemeinsamen Themen, in denen eine Einigung und damit Reduzierung des Konflikts möglich ist.“
Die Entscheidung verdeutlicht, welches Potential Gerichte aus den aktuellen Gesetzen und der Rechtsprechung des BGH ziehen können, wenn der Wille da ist, sich vorurteilsfrei mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Betreuungsmodelle, auch der Doppelresidenz, auseinander zu setzen.
Das Kammergericht hat hier vorbildlich, der Vorgabe des BGH folgend, die verschiedenen Betreuungsalternativen betrachtet und gegeneinander abgewogen. Es hat auch deutlich dargestellt, dass die hier gefundene Betreuungsregelung nicht die beste Alternative für das Kind ist.
Sie ist lediglich die in Anbetracht der Defizite der Eltern auf der Paarebene, welche sich auf die Elternebene auswirken, die am wenigsten schädliche Alternative. Am besten für das Kind wäre es, wenn die Eltern ihre Konflikte beilegen würden. Dies kann ein Familiengericht allerdings nicht anordnen. Es kann lediglich Regelungen zu strittigen Themen erlassen, die die Eltern dann umsetzen müssen und hoffentlich, im Interesse der Kinder, auch akzeptieren.
Richtig war es auch, sich nicht auf die nachgewiesen schlechte Kommunikation zwischen Mutter und Vater zur Ablehnung einer Doppelresidenz zurückzuziehen, denn damit würde ein Anreiz geschaffen, die Kommunikation bewusst zu behindern. Das Kammergericht sah gerade auch durch die Doppelresidenz noch die Chance zu einer Verbesserung der Kommunikation, wenn die Eltern hochfrequente Beratung ohne parallellaufende Gerichtsverfahren in Anspruch nehmen und die größte Streitfrage, die der Betreuung, geklärt sei. Das Gericht traute beiden Eltern also offensichtlich die Fähigkeit zur angemessenen Kommunikation zu, auch wenn es bisher an der entsprechenden Bereitschaft gefehlt zu haben scheint. Eine solche Differenzierung zwischen Fähigkeit und Bereitschaft ist wichtig, um entsprechende Schlüsse für die zu treffenden Entscheidungen ziehen zu können.
Auffällig ist, dass die Mutter über alle Instanzen und trotz der auch von den Fachkräften festgestellten, positiven Entwicklung des Kindes seit der gemeinsamen Betreuung, nicht von ihrer ablehnenden Haltung zu diesem Betreuungsmodell abrücken wollte. Trotz der von ihr behaupteten Übergriffe des Vaters gegenüber dem Kind setzte sie sich für einen erweiterten Umgang des Vaters ein – ein Wiederspruch, auf den das Kammergericht ebenfalls ausdrücklich hinwies.
Auch im Zusammenhang mit der von ihr vorgebrachten Argumentation des hohen Konfliktes und ihres Unwillens, sich mit dem Vater im Rahmen der gemeinsamen Sorge über notwendige Dinge das Kind betreffend abzustimmen drängt sich hier förmlich die Vermutung auf, dass es sich um eine auch bewusste Eskalation des Elternkonfliktes gehandelt haben könnte, um mit der häufig erlebten Argumentationslinie „bei Streit der Eltern und Kommunikationsproblemen gibt es keine Doppelresidenz“ eine für sich positive Entscheidung, unter Inkaufnahme von Schädigungen des eigenen Kindes, zu erzwingen. Bezeichnend hierbei auch der Anwaltswechsel im Verfahren, die damit einhergehende Verschärfung des Konfliktes und der Vorwurf des intimen Übergriffes gegen das Kind. Hier zeigt sich eine schon fast lehrbuchhafte Orchestrierung einer bewusst gespielten Hochstrittigkeit.
An dieser Stelle wäre ein deutlicher Hinweis des Kammergerichtes an die Mutter, dass bei weiterer Eskalation des Konfliktes auch ein Wechsel des Kindes zum Vater und der Entzug von Teilen des Sorgerechtes in Betracht gezogen werden müsste, wünschenswert gewesen, um einer weiteren Schädigung des Kindes, auf die der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen hatte, vorzubeugen.
Es besteht durchaus die Sorge, dass die Eskalation weiter betrieben werden könnte und die weiteren Beratungen mangels eigener Motivation der Mutter zu deren Gelingen weiterhin erfolglos bleiben. Es bleibt zu hoffen, dass die Mutter den Ausführungen des Kammergerichtes zu den angeordneten Beratungsgesprächen folgen wird und akzeptiert, dass nun der große Streitpunkt der Betreuung tatsächlich abschließend geklärt ist und es nicht in Kürze den Versuch eines Abänderungsverfahrens gibt.
Bei den angeordneten Beratungen zeigt sich aber auch das Dilemma, in dem das Kammergericht selbst steckte. So weist es zwar auf die Wohlverhaltenspflicht der Eltern hin und ordnet in dem Zusammenhang auch die Beratungen an. Gleichzeitig muss das Gericht aufgrund der bestehenden rechtlichen Lage darauf verweisen, dass diese Anordnung nicht vollstreckbar ist. Hier legt der Gesetzgeber den Gerichten mit seiner im Gesetzgebungsverfahren immer weiter abgeschwächten Formulierung des §156 FamFG unnötige Steine in den Weg. Ob das Gericht solche Beratungen nun anordnet oder nicht – letztlich hat dies für die Eltern keine direkten, rechtlichen Konsequenzen. Hier müsste der Gesetzgeber den Gerichten dringend Rückendeckung geben und Anordnungen zum Schutz der Kinder auch außerhalb des §1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) vollstreckbar machen.
Am gesamten Verfahrensverlauf zeigt sich aber auch, wie wichtig es war, bereits sehr früh im Verfahren die Doppelresidenz zu etablieren. Neben den vom Kammergericht beschriebenen, leider häufig argumentierten, rechtlich höheren Herausforderungen, eine Doppelresidenz aus einem Residenzmodell heraus anzuordnen, hätte durch die frühzeitige Festlegung auf ein Residenzmodell die Gefahr bestanden, dass der überwiegend betreuende Elternteil das Kind „auf seine Seite“ zu ziehen versucht. So hätten allein durch Zeitablauf Fakten zu Lasten des Kindes und eines Elternteils geschaffen werden können, welche sich nur unter erheblichem, auch rechtlichen, Aufwand hätten beseitigen lassen.
Die Beibehaltung der Doppelresidenz im Verlauf des Verfahrens eröffnet dem Gericht die Option, im Bedarfsfall zu entscheiden, ob das Kind aufgrund der vorliegenden Umstände zu einem Elternteil wechseln muss. Daher sollte die Doppelresidenz gerade in der Trennungsphase bei bisher zusammenlebenden Eltern viel öfter als vorläufige Betreuungsregelung angeordnet werden, bis die genauen Umstände des Verfahrens geklärt sind. Auch auf diese Möglichkeit hatte der BGH in seiner Entscheidung 2017 ausdrücklich hingewiesen.
Allgemeine Fragen oder Fragen zur Website:
info@doppelresidenz.org
Presseanfragen:
presse@doppelresidenz.org
Nachricht an die Redaktion:
redaktion@doppelresidenz.org
Veranstaltung mitteilen:
veranstaltungen@doppelresidenz.org