Die Entscheidungsdatenbank befindet sich zur Zeit noch im Aufbau. Nach und nach werden wir hier weitere Entscheidugen einstellen und entsprechend in Bezug auf die Doppelresidenz kommentieren.
Leitsätze (aus juris)
1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, kann im Einzelfall
auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1. Februar 2017, XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532).
2. Bestehen unstreitig gute Bindungen der Kinder zu beiden Elternteilen und hat der umgangsberechtigte Elternteil bereits bisher einen wesentlichen Teil der Betreuungsleistung übernommen (vorliegend: rund 40%), so kann die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.
Vorinstanz AG Calw, siehe hier
Erstmals ist die Etablierung der Doppelresidenz obergerichtlich bestätigt worden. Das AG Calw hatte in seiner Entscheidung den Rahmen bereits abgesteckt. Die Eltern sind beide Erziehungswillig und Fähig, die Kinder haben eine gute Bindung an beide Eltern und der Vater war auch bisher bereits sehr umfangreich in die Betreuung der Kinder eingebunden. Die Doppelresidenz bringt in dem Fall mehr Klarheit und Struktur für die Kinder in den Betreuungsablauf.
Trotz der deutlichen Feststellungen der Vorinstanz versuchte die Mutter auch in der Beschwerde auf die unterschiedlichen Erziehungsstile abzustellen. So wurde von ihrem Anwalt vorgetragen:
"Das Erziehungsmodell der Mutter werde offensichtlich scheitern, weil der Vater dann einen zu großen Einfluss bekomme. Hin und her gerissen zwischen verschiedenen Erziehungsmodellen würden die Kinder aller Erfahrung nach zunehmend verunsichert erscheinen und letztlich unglücklich, weil sie sich immer wieder erneut dem Erziehungsmodell des Elternteils anpassen müssten, bei dem sie sich aufhalten"
Wie sich der Erziehungsstil des Vaters verwirklichen könnte oder weshalb der Erziehungsstil der Mutter hier vorrang haben sollte, darauf stellt die Mutter nicht ab. Das OLG hat dafür die passende Antwort:
"Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen der Eltern sind meist unschädlich, denn Kinder sind schon früh in der Lage, solche Unterschiede zu „ertragen“, sie zur Erweiterung ihrer eigenen Erfahrungen nutzbar zu machen und als selbstverständlichen Ausdruck der unterschiedlichen Persönlichkeiten von Vater und Mutter zu begreifen".
Im weiteren wird dann noch ausgeführt, dass der Vater ja auch bisher bereits sehr umfangreich betreut und dies den gut entwickelten Kindern offensichtlich nicht geschadet hat.
Bezeichnend war auch, dass die Mutter vortragen ließ, dass die zukünftige Umgangsregelung für sie Schwierigkeiten im Beruf mit sich bringen würde. Sie hat in der Vergangenheit den Vater gerne als Betreuungshilfe genutzt wenn es ihr genehm war, sich dann aber vehement gegen eine gleichberechtigte Elternschaft gewehrt.
Der Beschluss markiert zusammen mit dem des AG Calw eine Trendwende. Hier wurde genau hingeschaut, welche Gründe tatsächlich tragfähig sein könnten (es aber nicht wahren) und dem bisherigen, streitfördernden Automatismus, dass bei Streit keine Doppelresidenz angeordnet werden könne, widersprochen. In diesem Verfahren kommt deutlich zum Vorschein, dass die Eltern eigentlich sehr gut miteinander kooperieren und alle Regelungen über Jahre ohne gerichtliche Hilfe selbst regeln konnten.
Es liegt zumindest die Vermutung nahe, dass bei der Weigerung der Mutter, der Doppelresidenz zuzustimmen, nicht nur das Wohlergehen der Kinder im Vordergrund stand. Ob es nun unterhaltsrechtliche Gründe waren, die Möglichkeit des Einflusses auf die Kinder oder aber andere Gründe wird nur die Mutter beantworten können. Es dürfte aber klar sein: wer seine Kinder schon zu 30% oder 40% betreut, der wird in der Regel auch in der Lage sein, seine Kinder zu 50% zu betreuen.
Es bleibtzu hoffen, dass sich diese Sicht auch an anderen Gerichten durchsetzen wird. Durch den Versuch der Mutter, die Doppelresidenz um jeden Preis zu verhindern, mussten die Kinder vom Verfahrensbeistand und vom Gericht befragt werden, standen sich die Eltern, welche eigentlich gut miteinander klar kamen, sich als Antragssteller und Antragsgegner gegenüber, mussten Vorwürfe konstruiert werden, welche das Verhältnis der Eltern belasten.
Dies sollte Kindern erspart bleiben. Elternschaft auf Augenhöhe sind die Eltern auch ihren Kindern schuldig.
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