Die Entscheidungsdatenbank befindet sich zur Zeit noch im Aufbau. Nach und nach werden wir hier weitere Entscheidugen einstellen und entsprechend in Bezug auf die Doppelresidenz kommentieren.
Die Eltern zweier Kinder im Kita-Alter (3 / 5 Jahre bei Abschluss des Verfahrens) vereinbarten nach der Trennung einen 14-tägigen Wochenendumgang sowie einen kurzen, zweistündigen Umgang unter der Woche. Der Vater strebte im gerichtlichen Verfahren die Doppelresidenz an.
Im amtsgerichtlichen Verfahren einigten sich die Eltern vorläufig auf eine Ausweitung des Umgangs von Mittwoch bis Montag. Das Amtsgericht entschied dann später für die paritätische Doppelresidenz im Wochenwechsel. Beide Kinder verfügten über eine gute Bindung an beide Eltern und hätten mit dem erweiterten Umgang eine positive Entwicklung genommen, was auch die Verfahrensbeiständin und die Kita bestätigten.
„Vorliegend trete aber hinzu, dass sich für die Mutter mit dem von dem Vater angestrebten sogenannten Wechselmodel die Vorstellung einer Betreuungsform für ihre Kinder verbinde, der sie von vornherein und ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Auswirkungen des erweiterten Umgangs mit einer sorgenvollen Erwartungshaltung gegenüberstehe“. Diese ihre Haltung versuchte die Mutter auch mit Hilfe eines Kinderpsychologen zu untermauern, der sich aber nicht auf die konkrete Situation, sondern auf allgemeine Einschätzungen bezog.
Die Mutter erhob auch zahlreiche Vorwürfe gegen die Erziehungseignung des Vaters, welche vom Gericht so aber nicht bestätigt oder als relevant zu sehen waren. Auch stellte die Mutter die Kommunikationsfähigkeit der Eltern infrage. Hierzu führte das Amtsgericht aus:
„Der Einwand der Mutter, es fehle an einer ausreichenden Kommunikationsfähigkeit der Eltern, sei zwar grundsätzlich beachtlich. Sie habe dies aber nur schlagwortartig und ohne Einzelheiten vorgebracht, während sowohl der Eindruck des Gerichts aus allen persönlichen Anhörungen wie auch die Einschätzung der Vertreterin des Jugendamtes angesichts der dort mit den Eltern geführten Gespräche dahin gehen, dass die Eltern zwar nicht immer zu einem Konsens fänden, aber trotzdem auch weiterhin in der Lage seien, sich auf einer sachbezogenen und die Kinder in den Blick nehmenden Weise über deren Belange austauschten.“
Die Mutter ging gegen den Beschluss des Amtsgerichts in Beschwerde, sie lehne die Doppelresidenz weiterhin ab. Der Vater wolle die Doppelresidenz nach Ihrer Ansicht nur, um sich Barunterhalt zu sparen. Auch wenn die Verfahrensbeiständin das Wechselmodell befürwortet habe, so bedeute dies nicht, dass dies auch hier dem Wohl der Kinder entspreche. Die Kinder würden auch nicht zum Vater wollen und an ihr klammern. Sie führte aus:
„Daher sei davon auszugehen, dass hier keine objektive Einschätzung aus Sicht der Kinder stattgefunden habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass seit der Trennung keine ausreichende Kommunikation für die Durchführung des Wechselmodellwechsels vorhanden sei. Absprachen seien nur mit Unterstützung des Jugendamtes möglich gewesen. Im Falle einer Krankheit der Kinder übernehme nicht der Vater selbst deren Betreuung, sondern Dritte, d. h. seine Mutter oder seine Lebensgefährtin. Seit der Einführung des Wechselmodells seien bei beiden Kindern erhebliche Probleme und Auffälligkeiten aufgetreten. C. nehme während der Zeit beim Vater an Gewicht ab. Beide Kinder schliefen im mütterlichen Haushalt nicht in ihren eigenen Betten, sondern bei ihr, da beide ihre Nähe suchten“.
Das Oberlandesgericht entschied über die Beschwerde der Mutter ohne mündliche Anhörung, da sich die Beschwerde der Mutter im vollen Umfang als unbegründet erwies. Die Mutter habe keine neuen Fakten vorgetragen, sondern lediglich die bereits vom Amtsgericht, aus sich des Oberlandesgerichtes zutreffend, gewürdigten Punkte benannt.
Nach Auffassung des Senats spreche auch der Förderungsgrundsatz dafür, beide Kinder im Wechselmodell zu betreuen, da beide Kindeseltern offensichtlich erziehungsgeeignet sind. Die ablehnende Haltung der Kindesmutter gegenüber dem Wechselmodell sei kein Grund, dieses nicht doch anzuordnen.
Es wurde auch ausgeführt, dass die Eltern aufgrund der bisherigen Erfahrungen auch ausreichend kompromissbereit seien, wie ihre bisherigen Regelungen zur Abänderung der Umgangsentscheidungen zeigten.
„Wenn Eltern in der Lage sind, Vereinbarungen zum Umgang zu schließen, handelt es sich gerade nicht um eine hochstrittige Elternebene. Auch nach dem Bericht des Jugendamtes vom 28. Februar 2019 fehlt es nicht an einer hinreichenden Kommunikation zwischen den Eltern, sondern lediglich an einer fehlenden Kompromissbereitschaft der Kindesmutter. Beide Eltern waren im bisherigen Beratungsprozess in der Lage, miteinander zu kommunizieren und Absprachen zum Wohle ihrer Kinder zu treffen“.
Zu den von der Mutter angeführten Verhaltensauffälligkeiten der Kinder und den Kommunikationsproblemen führte das Oberlandesgericht abschließend aus:
„Entgegen der Auffassung der Kindesmutter hat der Senat überhaupt keine Bedenken, wenn sich während einer Erkrankung der Kinder auch deren Großmutter und die Lebensgefährtin des Vaters um sie kümmern. Die von der Kindesmutter aufgeführten Verhaltensauffälligkeiten der Kinder treten offensichtlich nur in ihrem Haushalt auf. Der Kindesvater hat gegenüber der Verfahrensbeiständin berichtet, dass alles mit den Kindern sehr gut laufe. Die Verfahrensbeiständin hat die Kinder zuletzt im Haushalt des Kindesvaters erlebt und dabei keine negativen Auffälligkeiten feststellen können. Es bestand daher auch kein Anlass, im vorliegenden Verfahren ein Sachverständigengutachten einzuholen.“
Der Verfahrenskostenantrag der Mutter wurde mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Entscheidung sollte, so positiv sie grundsätzlich ist, aus zwei Sichtweisen betrachtet werden.
Auf der einen Seite sind sowohl Amtsgericht als auch Oberlandesgericht sehr konsequent auf die vorliegenden und ermittelten Fakten eingegangen und haben diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Wo Probleme waren haben sie diese Thematisiert und auch in Bezug auf das Betreuungsmodell bewertet und gewichtet. Auch wurde klar differenziert, wie sich welcher Elternteil sowohl in Bezug auf die Kinder als auch auf die Paar- und Elternebene verhält.
Ein solch differenziertes Vorgehen ist auf jeden Fall zu begrüßen und erklärt auch, weshalb das Oberlandesgericht es nicht für erforderlich hielt, einen Anhörungstermin abzuhalten. Somit konnte das Verfahren vor dem Oberlandesgericht in rund 3 Monaten abgeschlossen werden. Auch die Kostenentscheidung zu Lasten der Mutter war bei dieser klaren Grundlage nachvollziehbar und richtig.
Die andere Seite der Entscheidung hinterlässt jedoch Sorgen, wie es mit der Familie und insbesondere den Kindern weitergeht.
Die Mutter war offensichtlich nicht in der Lage, positive Entwicklungen, die ihre Kinder im Verlauf des Verfahrens nahmen, selbst zu erkennen. Nicht einmal die fachliche Einschätzung von Kita und Verfahrensbeistand erreichten sie. Sie ist ausweislich des Beschlusses der Ansicht, dass ausschließlich sie das „Kindeswohl“ beurteilen kann.
Aus der Entscheidung ist zu erkennen, dass sie auch nicht in der Lage zu sein scheint zu erkennen, dass die von ihr berichteten Auffälligkeiten der Kinder, die ausschließlich in ihrem Haushalt vorzukommen scheinen, möglicherweise etwas mit ihrem eigenen Verhalten zu tun haben könnten. Auch, dass beide Kinder im Haushalt der Mutter mit dieser gemeinsam im Bett schlafen (mit 5 bzw. 3 Jahren) lässt die Frage aufkommen, ob es sich hier tatsächlich um ein Nähebedürfnis der Kinder oder vielleicht doch der Mutter handelt.
Hinzu kommt, dass die Mutter schon fast anhand einer Checkliste alle möglichen Gegenargumente gegen die Doppelresidenz abarbeitet. Kommunikation, Kooperation, entgegenstehender Wille und dabei natürlich darstellen muss, wie schlimm der Vater doch ist. Dazu natürlich noch die Unterstellung, der Vater würde die Doppelresidenz nur anstreben, um Barunterhalt zu sparen. Ihre Ablehnende Haltung versperrte ihr den Blick darauf, dass es ihren Kindern tatsächlich besser damit ging, viel Zeit mit beiden Eltern zu verbringen. Diese Einsicht hatte sie aber offensichtlich bis zum Schluss nicht in ihr eigenes Weltbild integrieren können. Ebenfalls scheint sie nicht erkannt zu haben, dass es nicht ihre Aufgabe ist, Probleme nur zu benennen, sondern selbst aktiv an deren Beseitigung mitzuwirken.
Daher bleibt die durchaus sorgenvolle Frage: wie wird die Entscheidung der Gerichte in der Praxis umgesetzt und gelebt werden können? Wird die Mutter ihre Sichtweise ändern können? Wie ist es um ihre generelle Bindungstoleranz bestellt? All diese Fragen wurden nicht beantwortet und hätten anhand der vorliegenden, im Beschluss benannten, Fakten auch dazu führen können, dass eher der Vater die überwiegende Betreuung der Kinder hätte übernehmen müssen, um die Kinder vor weiteren Belastungen im Haushalt der Mutter zu schützen.
Insofern bleibt zu hoffen, dass die Familie auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens noch Unterstützung erhält und zukünftig nicht erneut die Gerichte bemüht werden müssen. Insbesondere den Kindern wäre dies zu wünschen.
Das aufgezeigte Verhalten der Mutter offenbart, welch verheerende Wirkung frühere Entscheidungen zur Doppelresidenz, welche eine bewusste Eskalation von Verfahren häufig belohnten, haben können. Streit als Strategie schadet den Kindern und darf daher nicht zum Erfolg führen – denn es widerspricht dem Kindeswohl und der elterlichen Verpflichtung, die zum Wohlergehen der Kinder notwendigen Schritte zu ergreifen. Den Richtern des OLG Naumburg ist daher zu danken, dass sie nun eine Trendwende einleiten, was hoffentlich zu weniger Verfahren, mehr Einsicht und weniger belasteten Kindern führen wird.
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