Am 14. Dezember 2018 fand in München ein Fachworkshop zum Thema „Leitbilder von Familie und Elternschaft“ im Deutschen Jugendinstitut in München statt. Der Workshop fand im Rahmen der Erstellung des 9. Familienberichts der Bundesregierung statt, welcher im April 2020 vorgelegt werden soll. Wir waren mit vor Ort, denn die Frage des Leitbildes beschäftigt auch uns intensiv.
Dr. Detlev Lück und Anna Dechant vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung stellten ihre Studienergebnisse vor, wie sich Menschen ein „richtiges“ Familienleben vorstellten. Hierbei konnten die befragten einerseits angeben, wie sie selbst sich Familie vorstellen und andererseits wie sie glauben, dass die Gesellschaft es erwarten würde. Hierbei konnte man sich auf zwei Befragungen aus den Jahren 2012 und der Widerholungsbefragung von 2016 stützen.
Während in Ostdeutschland die Annahme, dass sich beide Eltern um Beruf und Familie kümmern sollten sehr hoch war, wurde in Westdeutschland eher angenommen, dass eine eher „traditionelle“ Familie bevorzugt werden würde. Erstaunlich dabei: bei allen befragten wichen die Annahmen sehr deutlich von den eigenen Einstellungen der Menschen ab. Diese waren weitaus häufiger auf eine gleichberechtigte und gleichverantwortliche Elternschaft ausgerichtet. In der Praxis zeigte sich dann, dass die Menschen häufiger die angenommenen Familienmodelle lebten als die, die sie sich eigentlich selbst wünschen würden. Hier zeigte sich überdeutlich, dass sich Eltern in ihren Entscheidungen noch immer von einem Familienbild leiten lassen, welches sie häufig selbst so gar nicht mehr leben wollen.
Interessant war auch, wie sich das Leben von Paaren und später Familien entwickelt. Leben diese als kinderloses Paar die Partnerschaft noch recht gleichberechtigt, so ist die Geburt eines Kindes häufig ein Wendepunkt hin zu einer „klassischen“ Mutter-Vater-Rollenverteilung. Gleiches konnte auch im Falle einer Trennung der Eltern beobachtet werden.
Eine ausführliche wissenschaftliche Darstellung ist auf der Homepage des BIB verfügbar und absolut lesenswert.
Wie so häufig wurde z.B. Schweden als ein Musterland für egalitäre Familienbilder genannt, wie auch Prof. Dr. Grunow von der Universität Frankfurt am Main berichtete und dabei auch über Normen und Ideologien zu Mutterschaft und Vaterschaft im europäischen Vergleich berichtete. Wenn auch in Deutschland in einigen Bereichen bereits annehmbare Fortschritte erzielt werden konnten, so besteht doch im Bereich der Akzeptanz der Kinderbetreuung von Väter noch nachholbedarf. Betont wurde auch, dass es keine deutschen Daten darüber gibt, wie Kinder nach einer Trennung tatsächlich betreut werden. Auch hier besteht im Vergleich zu europäischen Nachbarn ein Wissensdefizit, was wissenschaftliche Aussagen erschwert.
Als wichtiger Faktor wurde auch die Akzeptanz frühkindlicher Kinderbetreuung, z.B. in Kitas, angesehen. In Ländern, deren Kinderbetreuung einen guten Ruf genießt, wird diese auch eher in Anspruch genommen und die beruflichen Auszeiten liegen deutlich geringer als z.B. in Deutschland, wo die Betreuungsquoten im Vergleich noch nicht so ausgeprägt sind. Zu beobachten war den Berichten nach auch, dass die Inanspruchnahme von Erziehungszeiten über das gesetzlich zugestandene Maß hinaus zu Karriereeinbußen der Eltern – Müttern wie Vätern – führte, auch z.B. in Schweden, wo allerdings die Erziehungszeiten für beiden Eltern gleichermaßen deutlich ausgeprägter sind.
Zur Rolle des Vaters in unserer Gesellschaft berichtete Prof. Michael Meuser. Wurde die Rolle des Vaters überwiegend und in gewisser Weise abwertend lediglich auf die finanzielle Verantwortung reduziert, so wandelt diese sich zunehmend auch zur Anerkennung seiner Verantwortung als emotional-involvierter, präsenter Ernährer-Vater, wobei die finanzielle Verantwortung auch weiterhin (noch) überwiegend beim Vater gesehen wird.
Deutlich sei aber auch die große Zustimmung in der Gesellschaft zur gemeinsamen Elternschaft. Die Mutter als reine Hausfrau kommt in den Rollenbildern der Menschen in der Form kaum noch vor. Trotzdem stellt Elternschaft heute (noch) ein erhebliches ökonomisches Risiko vor allem für Mütter dar. Der familiäre Aushandlungsprozess über Zuständigkeiten und Rollen in der Familie wird aber noch immer durch Ehegattensplitting, „Vätermonate“ und überholte Rollenbilder behindert.
In den anschließenden Diskussionen gab es zahlreiche wertvolle Hinweise, wie das Leben und die Rahmenbedingungen von Eltern und Kindern zukünftig besser gestaltet werden könnten.
Wir begrüßen sehr, dass hier ein breites Spektrum an Fachprofessionen in den Diskussionsprozess einbezogen wird und unter Einbeziehung auch internationaler Erkenntnisse an Wegen arbeitet, wie Familien zukünftig besser ihre Familienmodelle leben können und wie dies auch durch gesetzgeberische Maßnahmen unterstützt werden kann.
Wir fühlen uns in unserem Ansatz, die Familie als Ganzes aus der Sicht von Kindern, Müttern, Vätern, Großeltern und auch der Arbeitswelt zu betrachten, bestätigt. Gute Lösungen für Familien und auch gute Leitbilder wird es nur geben können, wenn die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, ein Leitbild den Wünschen eines großen Teils der Menschen entspricht und dabei aber auch abweichende Lebensmodelle diskriminierungsfrei ermöglicht.
Die Politik kann wichtige Impulse setzen, um Eltern eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Hierbei sind aus unserer Sicht Leitbilder und Rahmenbedingungen, die sich hieran orientieren, von großer Bedeutung.
Regelungen wie das Ehegattensplitting oder der nur geringe Anteil sogenannter „Vätermonate“ behindern Eltern heute noch häufig darin, ihre eigenen Familienwünsche zu realisieren, ebenso wie die Annahme, wie Mütter und Väter sein müssten (obwohl sie dies selbst heute meist gar nicht mehr wollen). Diese Familienbilder wirken sich auch auf den Arbeitsmarkt aus und befördern diese Entwicklung zusätzlich. Karriereknick, Alleinerziehung, Altersarmut oder Väterentbehrung sind nur einige der unerwünschten Auswirkungen.
Was sollte man tun?
Aus unserer Sicht wären folgende Maßnahmen erforderlich (nicht abschließend):
Wir sind jedenfalls gespannt, zu welchen Erkenntnissen der 9. Familienbericht der Bundesregierung 2020 kommen wird.
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