Übersetzung aus dem Englischen durch Johannes Busse
Link zum Original-Text: https://www.futurelearn.com/courses/positive-parenting/1/steps/291629?utm_campaign=Share+Links&utm_medium=futurelearn-open_step&utm_source=twitter
Die Colorado State University bietet im Rahmen ihres Projektes „Future Learn“ (zukunftsfähiges Lernen) einen Online Kurs zur „Positiv zukunftsgerichteten Elternschaft nach einer Trennung“ an (Positive Parenting after Separation). In Lerneinheit 4.7 geht es um gemeinsame Elternschaft (shared parenting)
In vielen Teilen der Welt wird die Doppelresidenz – die i. d. R. gleiche oder annähernd gleich Betreuungsanteile beider Eltern beinhaltet – die Norm und der gesetzliche Regelfall. In Belgien zum Beispiel sind Gerichte bereits seit 2006 vom Gesetzgeber angehalten, wenn möglich und angemessen die Doppelresidenz zu genehmigen bzw. anzuordnen.[1] In manchen Teilen der Vereinigten Staaten verbringen die Kinder ein Drittel oder mehr Zeit mit beiden Eltern; dies ist ein bedeutendes Mehr an Zeit gegenüber dem Umgang, wie er in der Regel vorher – hauptsächlich der Mutter– zugeteilt wurde.
Dient gemeinsame Elternschaft dem Kindeswohl? Unter Wissenschaftlern wächst die Übereinstimmung, dass die Antwort auf diese Frage ein JA ist. Weltweit haben Wissenschaftler Vorteile für Kinder wie auch die Eltern-Kind-Beziehung gemessen. Diese Vorteile sind u. a.
· eine bessere physische Gesundheit von Kindern
· eine bessere mentale und psychische Verfassung (z. B. weniger Angstgefühl, höheres Selbstbewusstsein)
· niedrigere Anfälligkeit für Suchtprobleme von Kindern und Jugendlichen
· bessere Schulleistungen
Eine engagierte Betreuung beider Eltern, nicht nur der Mütter, zu Tages- und Nachtzeiten führt zum Aufbau einer sicheren lebenslangen Bindung und Nähe zwischen Kinder und Eltern. Dies gilt insbesondere für Kleinkinder und ihre Eltern. So berichten Studenten, die in ihren Familien eine gemeinsame Elternschaft (nach einer Trennung) erlebt haben, von engeren Bindungen zu beiden Eltern. Zudem mildert die gemeinsame Elternschaft die Auswirkungen von einem hohen Streitniveau der Eltern. Kinder die viel Streit außerhalb der gemeinsamen Elternschaft erlebt haben, zeigten viel schlechtere Ergebnisse als solche, die trotz Streit eine Bindung zu beiden aufbauen konnten. Eine gemeinsame Elternschaft führt nachweislich zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und stärkt das Bewusstsein dafür, dass Männer und Frauen beide sehr wohl in der Lage sind, gute Eltern zu sein und gesunde Kinder großzuziehen.
Trotz der Vorteile gemeinsamer Elternschaft für Kinder und einer breiten öffentlichen Unterstützung für dieses kindgerechte Betreuungsarrangement gibt es weiterhin starke Auseinandersetzungen über dessen tatsächliche Anwendung in Sorge- und Umgangsrechtentscheidungen. Die familienrechtlichen Professionen (Anwälte, Richter, Beistände etc.) haben mit dem Argument, dass Arrangements gemeinsamer Elternschaft zu mehr (rechtlichen) Auseinandersetzungen führen, ihren Teil dazu beigetragen, die Kontroverse anzuheizen.
Das Argument der Konfliktverschärfung durch Arrangements gemeinsamer Elternschaft konnte von dessen Anhängern allerdings in keiner Weise belegt werden und empirische Untersuchungen weisen sogar auf den gegenteiligen Effekt hin: eine gemeinsame Elternschaft würde ein Großteil des Streits um die Aufteilung der Betreuungszeit, der in getrennten Familien so häufig ist, zum Verschwinden bringen.
Zudem haben Vertreter der sozial/ psychologischen und rechtlichen Professionen argumentiert, dass es keine Standardlösung für Familien geben kann und dass Betreuungsregelungen vollkommen fallindividuell verhandelt werden sollten.
Dieses Vorgehen scheint auf den ersten Blick absolut ideal, in der Praxis führt es allerdings zu einem erheblichen Maß an Subjektivität und Voreingenommenheit bei gerichtlichen Entscheidungen. Diese Voreingenommenheit zuungunsten gemeinsamer Elternschaft befeuert regelmäßig den gerichtlichen Konflikt und führt zu schlechteren Betreuungsarrangements für die Kinder. Natürlich kann das Zielbild gemeinsame Elternschaft nicht immer verwirklicht werden und insbesondere nicht, wenn es legitime Befürchtungen einer Gefährdung für einen Elternteil oder für eine Familie gibt. In solchen Fällen können Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die so beschaffen sind, dass eine positive Beziehung zu beiden Eltern trotzdem erhalten bleibt.
[1] Berichtigung des Originals – i. W. die Jahreszahlangabe – durch den Verfasser. Der Satz im Original: „For example, since 1995, Belgium courts give both parents custody, except in cases where the court rules otherwise, such if there has been abuse.”
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