Ergebnisse der 3. internationalen Konferenz zur gemeinsamen Elternschaft (shared parenting)
(Im Original erschienen in Psychology Today am 26. Juni 2017, Autor Prof. Dr. Edward Kruk, aus dem englischen Übersetzt von Markus Witt)
Die dritte „International Conference on shared Parenting“, gesponsort von der National Partents Organisation (NPO) und dem International Council on shared Parenting (ICSP) fand kürzlich ihren Abschluss. Die diesjährigen Themen lehnten sich an das Konzept des „best interest of the child“ (im besten Interesse des Kindes, im folgenden mit dem deutschen, nicht ganz zutreffenden Begriff „Kindeswohl“ bezeichnet, Anm. des Übersetzers) im Falle einer Trennung der Eltern, als Grundlage der andauernden wissenschaftlichen und professionellen Debatte an.
Vor vielen Jahren, Hillary Rodham, seinerzeit noch Familienrechtsanwältin, erklärte, dass Kindeswohl nichts weiter als eine leere Worthülse sein, die mit Annahmen der Erwachsenen gefüllt wird. Seither haben Familienforscher eine deutlich kindzentriertere Herangehensweise in ihren Forschungen um die kindlichen Bedürfnisse und Interessen, eine „die kindlichen Interessen aus der Perspektive des Kindes“-Perspektive.
Folglich wurde die Frage „Haben wir den Wendepunkt im Verständnis, was für Kinder im Falle einerTrennung und Scheidung am Besten ist, erreicht?“ an den Anfang und auch in den Mittelpunkt der Ausführungen der Veranstaltung gestellt. Ich wurde gezielt gefragt, haben wir den Punkt erreicht, an dem wir mit gewisser Sicherheit feststellen können, dass das Kindeswohl angemessen berücksichtigt ist mit einer gesetzlichen Vermutung der gemeinsamen Elternschaft für Kinder und Eltern, widerlegbar im Falle familiärer Gewalt und Kindesmissbrauch? Sind wir an dem Punkt angekommen, an dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse die gemeinsame Elternschaft als Leitbild und gesetzliche Grundlage empfehlen können?
Die Antwort auf diese Frage wurden von Dr. Sandford Braver, einem der führenden Experten im Bereich des Kindeswohls nach einer Trennung und Scheidung, als Zusammenfassung der Konferenz, welche die Forschungsergebnissee der weltweit führenden Experten im Bereich Kinder und Trennung und Scheidung aus 25 Ländern vorstellte, zusammengefasst: „Aus meiner Sicht haben wir den Scheitelpunkt überschritten … wir haben den Wendepunkt erreicht. Auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse … können Sozialwissenschaftler mit gewissen Einschränkungen „shared parenting“ (im nachfolgenden mit dem deutschen Begriff Doppelresidenz übersetzt, Anm. des Übersetzers) den Gesetzgebern empfehlen.“ Weiterhin ergänzte er, „ich denke, es gibt für die Doppelresidenz nun genügend wissenschaftliche Belege … (das) die Beweislast des Gegenteils nun den Gegnern der Doppelresidenz und nicht mehr den Befürwortern obliegt.
Es wurde eingeräumt, dass es in zwei Bereichen noch dringenden Forschungsbedarf gebe, im Bereich der Eltern-Kind-Entfremdung (parental alienation) und im Bereich der häuslichen Gewalt sowie deren Schnittmengen mit der Doppelresidenz.Aktuelle Forschungen zur Eltern-Kind-Entfremdung haben gezeigt, dass diese viel häufiger verbreitet und weitaus belastender für Kinder ist als bisher angenommen. Mehrere Präsentationen zur Eltern-Kind-Entfremdung betonten ausdrücklich den Umstand, dass die Doppelresidenz eine wirksame Schutzfunktion gegen Eltern-Kind-Entfremdung entfaltet.
Mehrere Vortragende bezogen sich auf die Familienrechtsreformen in ihren jeweiligen Ländern und es konnte festgestellt werden, dass zahlreiche Rechtssysteme ihre Ausrichtung hin zu einer widerlegbaren Vermutung des Leitmodells der Doppelresidenz verändert haben. Beispielsweise fordert eine aktuelle Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates die Mitgliedsstaaten auf, in Anerkenntnis der immer umfangreicheren, übereinstimmenden Erkenntnisse der Wissenschaft über die Vorteile der Doppelresidenz, die Doppelresidenz als Grundlage ihres Familienrechts zu etablieren.
Festzustellen war auch, dass der Schlüssel zu Familienrechtsreformen die Abkehr vom bisher willkürlichen und nicht definierten „Kindeswohl“-Standard hin zu einem belegbaren, kindzentrierten, wissenschaftlich erwiesenen „best-interest“-Standard ist. Die Präsentationen und Diskussionen konzentrierten sich auf folgende Punkte:
Weitere Highlight der Konferenz in den weiteren Präsentationen:
Nach Aussage von Ned Holstein, Präsident der National Parents Organisation, sollte die Doppelresidenz als widerlegbare Vermutung in einer Art und Weise etabliert werden, welche für Eltern Anreize schafft miteinander zum Wohle ihrer Kinder zu kooperieren. Er ist davon überzeugt, dass „professionelle psychosoziale Unterstützer“ eine sehr wichtige und zielführende Rolle in einem solchen Transitionsprozess spielen können. Sie sollten ihre Patienten / Klienten in strittigen Beziehungen dahingehend beraten, dass ihre Kinder wahrscheinlich besser mit der Doppelresidenz umgehen können, so hart es auch fürden Elternteil in seiner Wut und seinem Schmerz während der Trennung und Scheidung sein mag. Professionelle Bemühungen sollten, anstatt sich darauf zu konzentrieren, einen alleinerziehenden Elternteil zubestimmen, statt dessen eher darauf ausgerichtet sein, Eltern dahingehend zu unterstützen, den Weg zu einer Kooperativen oder Parallelen Elternschaft zu finden. Es ist weitaus befriedigender Familien bei den notwendigen Anpassungen zu unterstützen, zu einer harmonischeren Nachtrennungsfamilienbeziehung zu verhelfen und im Ergebnis glückliche Kinder zu sehen als Gerichte dabei zu unterstützen, einen Gewinner und einen Verlierer heraus zu picken. Jede Doppelresidenz-Gesetzgebung sollte die Finanzierung nachgerichtlicher Beratungen sicherstellen, welche auf die eine oder andere Weise die bisherigen Mittel für die Auswertung von Sorgerechtsstreitigkeiten ersetzen können.
Die nächste „International Conference on Shared Parenting“ wird im November 2018 in Strasbourg, Frankreich, stattfinden. Link zur Konferenzseite
Übersetzung als PDF zum Download
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